Gegen die Atompatriarchen: Frauen contra "Energiepolitischer Appell"

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aktualisiert am 28. August:

Der „Energiepolitische Appell“ der Atomlobby hat derart viel Kritik ausgelöst, dass man fast von einer Marketingschlappe reden möchte. Erst stellte sich heraus, dass der Chef der Energiegewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, anders als in einer Vorabversion (und hier immer noch von der FAZ) behauptet gar nicht unterzeichnet hatte. Zudem rückten einige Kapitalfraktionen schnell von der Atomstrom-Initiative ab – Autokonzerne etwa (hier) oder die Maschinen- und Anlagenunternehmen (hier) kritisierten die „einseitige Betrachtung“ und fürchten um die Berücksichtigung ihrer Interessen. Die Tatsache, dass mit Bahnchef Rüdiger Grube der Chef eines bundeseigenen Unternehmens die Forderung nach Laufzeitverlängerung für Atomstrom ebenso mitunterzeichnet hat wie mehrere CDU-Politiker, dürfte außerdem den energiepolitischen Streit in der Regierung verschärfen. Bei Umweltverbänden, der Opposition und in der Öffentlichkeit war ohnehin schnell von „Erpressung“ und einem empörenden Angriff der Lobbyisten die Rede.

Und nun sorgt auch noch ein Gegen-Appell von Frauen für neue Kritik an der „Maßlosigkeit der Konzernpatriarchen“: Auf Initiative des Instituts Solidarische Moderne machen Dutzende Erstunterzeichnerinnen aus dem rot-rot-grünen Politispektrum sowie aus Kultur und Wissenschaft darauf aufmerksam, dass der „Energiepolitische Appell“ ausschließlich von Männern unterschrieben worden ist. „Auch daran ist abzulesen, wer hier wessen Interessen wie durchzusetzen sucht“, heißt es in dem Protestpapier. Für ISM-Frontfrau Andrea Ypsilanti zeige sich in der Lobbyaktion nicht zuletzt, "wer die finanzielle Macht im Land hat und wer in den Netzwerken der Macht unterwegs ist". Es gebe zwar keinen empirischen Beleg dafür, dass zum Beispiel die Finanzkrise anders verlaufen wäre, hätten Frauen mehr Macht gehabt. Dennoch sei es erlaubt und wichtig, über die offenkundige Verantwortungslosigkeit des Patriarchats nachzudenken.

Der Aufruf der Frauen setzt sich für einen Ausstieg aus der Atomenergie ebenso ein wie für eine Rehabilitierung des politischen Mandats gegenüber den Lobbyinteressen. Mitunterzeichnen dürfen übrigens auch Männer – bereits in den ersten 24 Stunden haben 2.500 Menschen den Appell unterzeichnet.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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