Häutungen an Rhein und Ruhr

Porträt Bärbel Beuermann ist Spitzenkandidatin der Linken in NRW. Dass sie bislang kaum bekannt ist, könnte sich ändern, wenn ihre Partei im Mai in den Landtag einzieht

Manchmal muss man tief absteigen, um nach oben zu kommen: 1.100 Meter herunter in den Außenschacht acht des Bergwerks Auguste Victoria in Lippramsdorf. Dort hat sich Bärbel Beuermann Anfang Februar einen Eindruck vom heimischen Bergbau verschafft. Wie groß das Interesse der Linkspolitikerin an der Steinkohleförderung ist? Im nordrhein-westfälischen Wahlkampf kommt niemand um klare Aussagen zu diesem Thema herum. „Wenn wir aus der Steinkohleförderung im Jahr 2018 komplett aussteigen, verzichten wir auf die weltweite Technologieführung in diesem Sektor. Das wäre wirtschaftspolitisch fatal”, erklärte Beuermann nach dem Besuch des Schachts. „Aus diesem Grund spricht sich die Linke in NRW klar für einen Sockelbergbau über das Jahr 2018 hinaus aus.”

Für solcherlei programmatische Aussagen – nicht unumstritten in einer Partei, die Widersprüche zwischen Arbeitnehmerinteressen und Ökologie aushalten muss – interessiert sich dieser Tage kaum jemand. Die Zielgerade im Landtagswahlkampf ist lang und wird gesäumt von einer immer wiederkehrenden Frage: Gibt es eine Möglichkeit für Rot-Rot-Grün in Düsseldorf? Und wenn ja: unter welchen Bedingungen?

Die Berichterstattung über die Landesparteitage von SPD und Linkspartei am Wochenende hat gezeigt, wie sehr die bündnispolitischen Möglichkeiten im Fokus stehen. In Dortmund verabschiedeten die Sozialdemokraten ihr Programm für das Votum am 9. Mai und kürten Hannelore Kraft einstimmig zur Spitzenkandidatin. Das ist Bärbel Beuermann für die Linkspartei schon seit November – vergleichbare Schlagzeilen machte die Bildungspolitikerin aber kaum. Wer sich im Radio die Berichte über das Delegiertentreffen anhörte, wartete sogar vergeblich auf ihren Namen. Von größerem Interesse waren Aussagen des designierten Linken-Chefs Klaus Ernst und von Beuermanns Co-Landessprecher Wolfgang Zimmermann zur Koalitionsfrage.

„Wir sehen derzeit nicht, dass sich die SPD auf uns zubewegt”, hatte Beuermann, die als Lehrerin an einer Förderschule in Wanne-­Eickel arbeitet, vor einiger Zeit erklärt. Das kann man wörtlich nehmen. Weil den Umfragen zufolge eine kleine Chance besteht, dass es für Rot-Grün allein reichen könnte, setzt die SPD-Spitzenfrau Kraft auf Distanz. Man will die linke Konkurrenz aus dem Landtag halten und kritisiert den Landesverband der Linkspartei bei vielen Gelegenheiten als unwillig und unfähig, in eine Regierung zu kommen.

Das sieht Beuermann anders: Die Kommunalwahlen in NRW hätten „gezeigt, dass wir in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen.” Diese Orientierung hat auch Klaus Ernst in Duisburg ausgegeben. Es werde nicht an der Linken liegen, wenn ein Bündnis in Nordrhein-Westfalen scheitert. Aber: „Die Inhalte müssen stimmen, die SPD muss sich personell und inhaltlich häuten.“

Ein wenig ist nun auch die Linke auf Sozialdemokraten und Grüne zugegangen. Am Wochenende wurden zwei Papiere beschlossen, welche „die wichtigsten Positionen“ enthalten, „die wir nach unserem Einzug in den Landtag“ durchsetzen wollen. Von der Abschaffung des Religionsunterrichtes als Pflichtfach ist nun nicht mehr die Rede, die Forderung nach Vergesellschaftung der Energiekonzerne wurde auf die Übertragungsnetze beschränkt. Das Echo war denn auch weniger aufgeregt als nach dem eigentlichen Wahlprogramm, das von interessierter Seite so aufgenommen wurde, als sei es ein Skript für den Weltuntergang. Die Polemik gegen das Papier hatte zwischenzeitlich groteske Züge angenommen. Landessprecher Zimmermann musste unlängst sogar darauf hinweisen, dass es mit der Linkspartei „kein Dönerkombinat und kein VEB Pommes geben“ werde.

Dennoch bleibt die Regierungsfrage in der Partei umstritten, zumal in einem als besonders oppositionell geltenden Landesverband wie dem in NRW. Während Klaus Ernst von Überschneidungen mit der SPD sprach, stieß ein Bündnis mit den Sozialdemokraten auf dem Landesparteitag in Duisburg auch auf Ablehnung. „Glaubt ja nicht dem Gesäusel der NRW-SPD“, warnte ein Delegierter. Der Bundestagsabgeordnete Paul Schäfer zeigte sich dagegen „gedämpft optimistisch“, das nun nachgereichte Kurzprogramm werde Rot-Rot-Grün nicht mehr durch „Forderungsmaximalismus“ blockieren.

Das wird sich zeigen. In Umfragen pendelte die Linke zwischen fünf und sechs Prozent. Rot-Grün lag zuletzt ein paar Punkte hinter Schwarz-Gelb. Die Affäre um Jürgen Rüttgers Kauf-Gespräche und der schwarz-gelbe Dauerstreit in Berlin lassen einen spannenden Ausgang der „kleinen Bundestagswahl“ erwarten. Zieht die Linkspartei in den Düsseldorfer Landtag ein, dürfte Beuermann etwas aus dem Schatten treten, dem sie trotz des Wahlkampfes derzeit kaum entkommen kann.

Bei ihrer Kandidatur für die Landesliste hatte die seit 30 Jahren „glücklich geschiedene“ Gewerkschafterin für sich damit geworben, „mit dem politischen Gegner umgehen“ zu können. Mit 84 Prozent war die stellvertretende Landessprecherin im November 2009 auf Platz 1 gewählt worden – ein Jahr zuvor unterlag sie bei der Wahl zur NRW-Vorsitzenden noch knapp Katharina Schwabedissen in einer Kampfabstimmung. Politisch engagiert ist Beuermann seit Jahrzehnten. Erst in der Friedens- und Frauenbewegung, seit 1999 in der PDS. Neben ihrer landespolitischen Arbeit sitzt sie im Stadtrat von Herne, eine nicht immer vergnügliche kommunalpolitische Arbeit, denn die dort zunächst fünfköpfige Linksfraktion hatte sich vor einiger Zeit gespalten.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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