Köhlers Nachfolge: Das kurze Rennen bis zum 30. Juni

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Neben den üblichen Respektsbekundungen und allerlei Schade-Schade hat der Rücktritt des Bundespräsidenten hier und dort auch Kritik hervorgerufen. Darf ein Mann in diesem Amt derart beleidigt sein? Ist der Schritt nicht egoistisch?





In seiner Rücktrittserklärung hatte das Staatsoberhaupt zwar seine Äußerungen über die wirtschaftlichen Interessen und den Afghanistankrieg bedauert. Seine Demission erfolgt aber nicht wegen des Aussprechens einer Wahrheit, sondern weil die Opposition auf diese mit Kritik reagiert hatte. Das sei zu weit gegangen – jedenfalls so weit, so Köhler, „mir zu unterstellen, ich befürwortete Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt wären“. Diese Form der politischen Auseinandersetzung lasse „den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen“, sagte der Präsident – und ging.

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Hinterlassen hat er der Kanzlerin eine Menge koalitionspolitisches Geraune (Was wird nun aus Schwarz-Gelb?) und dem politischen Betrieb die Bürde einer Neuwahl mit äußerst engem Terminkalender. Das Grundgesetz schreibt vor, dass ein Nachfolger binnen 30 Tagen gefunden werden muss, also bis zum 30 Juni. Der oder die Nachfolger/-in muss in einer Bundesversammlung bestimmt werden, die aufzustellen ja auch einiges an Procedere mit sich bringt. Ihr gehören neben den 622 Bundestagsabgeordneten eine gleiche Anzahl von Länder-Vertretern an, die von den jeweiligen Landtagen bestimmt werden. Einerseits: In sieben davon haben sich seit der Wiederwahl Köhlers im vergangenen Jahr die Mehrheitsverhältnisse verändert – was sich auch auf die parteipolitische Färbung der Bundesversammlung auswirkt. Andererseits gehen Schnellrechner wie der Mainzer Politologe Jürgen Falter davon aus, dass Union und FDP wegen des guten Ergebnisses bei der Bundestagswahl auf eine komfortable Mehrheit bauen könnten – auch election.de sieht Schwarz-Gelb in dem Wahlgremium klar vorn.

Schönstes Bedauern des Tages: "Herr Köhler ist stets ein großer
Freund des Sports gewesen." (DOSB-Präsident Thomas Bach)

Weshalb nun das große Rechnen beginnen dürfte – und die Suche nach einer/-m Nachfolger/-in. 2004 war Horst Köhler der Kandidat einer schwarz-gelben Koalition, die dann aber erst 2009 zustande kam. Läutet die außerplanmäßige Präsidentenwahl nun womöglich wieder einen Wechsel der bundespolitischen Großwetterlage ein? Nach dem überraschenden Rücktritt müssen sich die Parteien und Lager nun binnen weniger Tage auf einen Kandidaten verständigen. Via Twitter zeigte sich mancher schon ganz hoffnungsfroh: Vielleicht klappe es ja jetzt mit einer/-m rot-rot-grünen Bundespräsidentin/-en.

Ob Köhlers Herausfordererin Gesine Schwan nochmal bereits stünde? Der neue niedersächsische SPD-Chef Olaf Lies brachte bereits einen anderen Namen ins Spiel: Ex-Bischöfin Käßmann.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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