Lafontaines Stern: eine Kolumne als Bewerbungsschreiben

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Hans-Ulrich Jörges gehört zu jenen Journalisten, die auf der Berliner Politbühne selbst Darsteller geworden sind. Der Mann vom Stern sitzt öfter einmal in Talkshows, gilt als kritisch, manchem auch als linksliberal. In der aktuellen Ausgabe des Magazins ruft Jörges aus Berlin dazwischen: „Oskar ist wieder da“. Gemeint ist Lafontaine und wer das Stück des „Chefredakteurs für Sonderaufgaben“ liest, kann den Eindruck nicht ganz verhehlen, dass hier ein Ghostwriter das Bewerbungsschreiben eines Politikers verfasst hat, der in die erste Reihe zurückdrängt. Nun war Lafontaine nie wirklich „weg“, sein Einfluss in der Linken schien stets größer als es seine saarländischen Ämter anzeigten. Zuletzt sorgten seine Rolle am Tag der Bundesversammlung und die ganz offenkundig auf ihn zugeschnittene Bildung einer Internationalen Kommission beim Parteivorstand für Aufmerksamkeit. Ist „Oskar wieder da“?

Jörges Stern-Kolumne müht sich, alle Zweifel zu zerstreuen, die man haben könnte, wenn man an eine Rückkehr Lafontaines in die erste Reihe denkt. Der Krebs überwunden, das Alter kein Problem – „rund, erholt, gebräunt, agil“ sei der frühere Parteichef, er sei gar soviel gejoggt, dass Ulrich Maurer nicht mehr mitkam. Der joggende Politiker ist seit Joschka Fischer nicht nur einfach eine Erzählung von sportlichen Leuten, es steckt immer eine größere Bedeutung dahinter. Die von der „Reinigung“, vom „langen Lauf zu sich selbst“. Das Bild des von der Politik ein wenig ermüdeten Lafontaine, in Jörges Stück wird es umgekehrt in das eines „begierig“ nach der Politik greifenden, nun „vorsichtiger“ agierenden Mannes. Es liest sich wie Botschaften: An die SPD zum Beispiel, den Saarländer doch endlich „begreifen“ sollen. Interessant auch, dass man lesen kann, Lafontaine würde „Sympathien“ für Frank-Walter Steinmeier hegen, während er zu Sigmar Gabriel ein „Nicht-Verhältnis“ pflege. Der einstige Außenminister sitzt bei den Sozialdemokraten fest im Sattel, viele glauben, er sei mit Blick auf 2013 auf Ampel-Kurs – und wenn überhaupt in der nächsten Zeit, dann könne nur der Agenda-Architekt ein Bündnis mit der Linkspartei in der SPD durchsetzen. „Kein böses Wort“ habe man übereinander verloren, behauptet Jörges. Und spätestens hier merkt man, dass es in der Kolumne um Anbahnung geht, nicht um einen Kommentar. „Er ist ein Populist, ein nationaler dazu“, hat Steinmeier einmal über Lafontaine gesagt. „Kein böses Wort“?

Aufmerksam wird man in der Linkspartei nicht zuletzt jene Passage lesen, in der Dietmar Bartsch vorkommt, „Lafontaines Intimfeind“, wie der Stern schreibt. Das Magazin bleibt sich treu, als dereinst der Bundesgeschäftsführer in die Kritik geriet und sich Vorwürfe der „Illoyalität“ in einer Kampagne verdichteten, die später zu seinem Rückzug führten, war der Stern mit ganz vorn dabei. „Der innerparteiliche Machtkampf bei der Linkspartei ist beendet. Der souveräne Sieger heißt Oskar Lafontaine, der eindeutige Verlierer Dietmar Bartsch“, hieß es schon im Dezember 2009. Bartsch verteidigte sich damals gegen Behauptungen, die in dem Artikel aufgestellt worden waren, worauf dieser aus dem Netz verschwand. An der personellen Dynamik änderte das nichts, das Ergebnis ist bekannt. Lafontaine werde nun, schreibt Jörges „als Außenminister seiner Partei (…) seine Gegner beruhigen, Dietmar Bartsch vor allem“. Muss er das denn? Oder wird das nur geschrieben, um den Eindruck zu befördern, Bartschs Lebensinhalt sei die Gegnerschaft zum einstigen SPD-Vorsitzenden?

Die mediale Erzählung von Lafontaines Rückkehr, hat noch eine andere Dimension. Die Frankfurter Allgemeine veröffentliche in dieser Woche eine längere Analyse aus dem Hause Allensbach, die interessengeleitet sein mag, aber doch in der Linkspartei für Diskussionen gesorgt haben dürfte: Die Marke „Linke“ werde insgesamt blasser, die Akzeptanz der Partei gehe zurück. „Es ist naheliegend, diese Entwicklung mit den personellen Veränderungen in Verbindung zu bringen“, heißt es an einer Stelle. Die „Nachfolger in der Parteiführung haben bisher keinen vergleichbaren Bekanntheitsgrad und kein vergleichbares Charisma entwickeln können“. Man hört das mitunter auch aus der Linkspartei und wenn im kommenden Jahr, das für die Linke ein sehr entscheidendes werden wird, sich der öffentliche Wind gegen die Partei drehen sollte (man hat es bei der FDP gesehen, wie schnell so etwas geht), dann könnte auch die Frage nach der Führung wieder auf den Tisch kommen. Wenn nicht schon vorher – Dank Zwischenrufen wie jenem, über dem der Name Hans-Ulrich Jörges steht: „Oskar ist wieder da.“

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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