Linke für Cannabis-Clubs und Legalisierung: Anhörung im Bundestag

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Am Mittwoch werden über dem Gesundheitsausschuss des Bundestags sprichtwörtliche Rauchschwaden hängen: In einer öffentlichen Anhörung diverser Sachverständiger befasst sich das Gremium mit dem Vorschlag der Linken, Cannabis-Clubs zu erlauben und so auf dem legalisierungspolitischen Wege ein Stück voranzukommen. Außerdem soll der Besitz von 30 Gramm Haschisch oder Gras zum Eigenbedarf erlaubt, für den Straßenverkehr soll eine wissenschaftlich begründete Höchstgrenze von THC im Blut eingeführt werden. Die Linke, sagt der zuständige Abgeordnete Frank Tempel, wolle eine eine Debatte über ein neues drogenpolitisches Verständnis anstoßen: „Wir wollen weg von der Verteufelung.“

Welche Formen die Tabuisierung im parteipolitischen Raum annehmen kann, musste die Linkspartei gerade erst selbst erfahren. Auf dem Erfurter Programmparteitag geriet eine Passage zur Legalisierung derart unter medialen Druck, dass führende Politiker für eine Abänderung sorgten – sehr zum Ärger der Antragsteller, die ihre guten Gründe hatten, diese Formulierung vorzuschlagen, und in einer Weise, die den Souverän, also die Delegierten, brüskieren musste. Offenbar ist die Sorge, eine liberale, das heißt von den Bedürfnissen des Konsumenten ausgehende, seinem gesundheitlichen Schutz verpflichtete und gegen die Auswüchse der Illegalisierung gerichtete Drogenpolitik könne in der Gesellschaft zu Abwehrreaktionen führen, immer noch groß. Und zum Teil spielend dabei nicht anderslautende medizinische oder juristische Vorstellungen eine Rolle, sondern lediglich das taktische Zurückweichen vor dem Ressentiment derer, die zwischen einem Joint und schwerster Heroinabhängigkeit einen direkten Zusammenhang sehen.

Im Gesundheitsausschuss des Bundestags werden sich am Mittwoch unter anderen Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin, der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen und des Hanf-Verbandes mit der Gesetzesinitiative der Linksfraktion befassen. Aus den bereits vorliegenden Stellungnahmen geht ein geteiltes Echo hervor. Sie „begrüße die dem Antrag zugrunde gelegte Initiative, die Strafverfolgung im Hinblick auf die konsumverbundenen Verhaltensweisen mit Cannabisprodukte in der bestehenden Form aufzugeben“, schreibt die Bremer Juristin Nicole Krumdiek. Im Lichte der vorliegenden Erkenntnisse könne „zusammenfassend gesagt werden, dass die gesundheitlichen und sozialen Gefahren, die von einem moderaten Cannabiskonsum ausgehen, sowohl kalkulierbar als auch hinnehmbar sind“. Georg Wurth vom Deutschen Hanf Verband weist darauf hin, dass die Initiative der Linken „weitgehend deckungsgleich mit meiner Petition zur Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten, die mittlerweile von über 31.000 Menschen unterzeichnet wurde“.

Der Hamburger Suchtexperte Rainer Thomasius weist hingegen darauf hin, „dass Cannabis keine harmlose Substanz ist. Cannabiskonsum birgt wesentliche gesundheitliche und soziale Risiken. (Der Deutschlandfunk hat mit ihm, nicht mit einem der Befüworter, heute morgen ausführlich gesprochen - hier) Daher sollten aus Sicht des Verfassers Cannabis und dessen Abkömmlinge als nicht verkehrsfähige Substanzen auch weiterhin einem kontrollierten Umgang unterliegen und dem BtMG unterstellt werden.“ In diese Richtung argumentiert auch der Trierer Staatsanwalt Jörn Patzak, der die Seite Betäubungsmittelrecht.info betreibt – er hält „eine Legalisierung von Cannabis für verfehlt“, genauso wie die hessische Oberstaatsanwältin Hannelore Biniok: „Weder die ‘Legalisierung’ des Besitzes von Cannabisprodukten bis zu einer Gewichtsmenge von 30 Gramm zum Eigengebrauch nebst der beantragten ‘Legalisierung’ des Umgangs mit Cannabissamen noch die Ermöglichung der Einrichtung und des Betriebs von ‘Cannabis-Clubs’ dürften wegen der hiermit verbundenen und in letzter Zeit noch größer gewordenen Gefahren, die dem Schutzzweck der betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zuwider laufen, angezeigt sein.“

Das Bild ist so alt wie die Kriminalisierung von Cannabis: auf der einen Seite stehen beharrliche Verbotsbefürworter, auf der anderen die Anhänger der Legalisierung – und jeder pocht auf seine Argumente. Mit der Diskussion über den Vorschlag der Linken, mit den Clubs eine Brücke zwischen dem Wunsch nach Prävention, Jugend- und Gesundheitsschutz, Sorge vor begleitender Kriminalität, Verkehrssicherheit auf der einen und den Bedürfnissen selbstbestimmter Konsumenten sowie der finanziellen Einspar- udn Einnahmemöglichkeiten eines staatlich kontrollierten Marktes zu bauen, hat zunöchst einmal für hochgezogene Augenbrauen bei der parteipolitischen Konkurrenz gesorgt. Sie halte "von Cannabis-Clubs überhaupt nichts”, wird die drogenpolitische Expertin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, zitiert. Und auch ihre SPD-Kollegin Angelika Graf hat “eine ganze Reihe von Vorbehalten”. Andererseits mahnt auch die Sozialdemokratin reformpolitische Bewegung im Sinne der Konsumenten an: “Da sollten wir uns etwas überlegen.” Die Anhörung am Mittwoch wird dazu ein kleiner Beitrag sein.

auch erschienen auf lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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