Nächste Runde im Trauerspiel

Palästinenser Wie auch immer Deutschland am Ende im Sicherheitsrat votiert – die Nahost-Politik der Bundesregierung bleibt widersprüchlich und schadet den selbsterklärten Zielen

Über Guido Westerwelles Auftritt bei der UN-Generalversammlung hat man nicht viel mehr gehört, als dass der angeschlagene Außenminister auf einem ungünstigen Platz der Rednerliste stand, vor ziemlich leeren Rängen sprach und sich mit neuer Brille präsentierte. Politisch hinterließ der Auftritt des FDP-Politikers keine Spuren.

Was freilich umso deutlicher den Eindruck vermittelte, die Bundesregierung habe bei einem ebenso wichtigen wie umstrittenen Thema keine eigene Position. Den erwarteten Antrag der Palästinenser auf einen UN-Sitz beschied der Außenminister jedenfalls mit diplomatischen Floskeln. Im Vordergrund stünden die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. Und vom deutschen UN-Botschafter Peter Wittig ist überliefert, man wolle sich dennoch konstruktiv an den weiteren Beratungen des palästinensischen Begehrens im Sicherheitsrat beteiligen.

Das eine ist nichtssagend, das andere dürfte dauern. Ganz egal aber, wie Deutschland am Ende in dem Gremium votiert – die Nahost-Politik der Regierung bleibt widersprüchlich und schadet am Ende den selbsterklärten Zielen.

Auf der einen Seite hat Angela Merkel schon im Frühjahr die Anerkennungsbemühungen als „einseitigen Schritt“ zurück­gewiesen. Auch Westerwelle riet bei seiner Nahost-Reise von einem Antrag ab, mit dem die Palästinenser „das Gegenteil von dem erreichen würden, was wir wollen“. Hinter diese Linie, die mit der Haltung der USA kompatibel ist, kommt die Bundesregierung nun kaum zurück. Die vorzeitige Festlegung lässt sich dabei nicht allein mit der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel erklären. Es steckt darin auch das Echo der umstrittenen Libyen-Enthaltung der Bundesrepublik: Nicht schon wieder will man die transatlantischen Beziehungen belasten.

Auf der anderen Seite pocht die Bundesregierung stets auf ihre Akzeptanz in der arabischen Welt und die darauf gründenden Potenziale als Mittler. Deutschland bezahlt maßgeblich jenen „Staat“, dessen Anerkennung Berlin jetzt nicht über die Lippen geht. Die Bundesregierung ist der größte europäische Geldgeber der Palästinenser, das EU-Mitglied Deutschland hat alle Ratsbeschlüsse mitgetragen, die eine Anerkennung zu gegebener Zeit in Aussicht stellen. Die schwarz-gelbe Koalition selbst hat erklärt, die Autonomiebehörden würden in wichtigen Bereichen bereits „oberhalb der Schwelle eines funktionierenden Staates“ agieren. Und nicht zuletzt: Scheitert Präsident Abbas in New York oder wird die Frage der Anerkennung auf die lange Bank geschoben, bleibt der bevorzugte Partner des Westens im innerpalästinensischen Machtgefüge stark beschädigt zurück, was die Chance für ohnehin schwierige Kompromisse mit Israel noch einmal senkt.

Auch deshalb wird ein deutsches Ja zur Anerkennung Palästinas selbst von regierungsnahen Experten und pensionierten Diplomaten gefordert. Ein anderer Kurs würde Deutschland in Europa isolieren, heißt es, und wäre ein Debakel für seine Glaubwürdigkeit in der Region. Die Opposition hat den Kurs der Koalition in der Anerkennungsfrage in seltener Einigkeit als „Trauerspiel“ bezeichnet. Nach dieser UN- Woche von New York sieht alles nach einer Fortsetzung aus.


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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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