Neinsager können nie koalieren

Wahlkampf Das Spitzenduo Künast und Trittin hat sich mit seinem Ampel-Plädoyer verhoben. Eine Wahlaussage der Grünen ist trotzdem angebracht - nur auf die Richtung kommt es an

Wie "spitze" eigentlich ist ein Wahlkampfduo noch, dem große Teile einer Partei die Gefolgschaft in einer wichtigen politischen Strategiefrage verweigern? Renate Künast und Jürgen Trittin haben für ihr Plädoyer zugunsten einer Ampelkoalition vom nordrhein-westfälischen Landesparteitag der Grünen in Hagen am Wochenende eine klare Abfuhr erhalten. Ihrer Orientierung auf ein Bündnis mit SPD und FDP fehlen nicht nur im mitgliederstärksten Verband an Rhein und Ruhr die Anhänger, sondern auch anderswo. Beim Bundesparteitag der Grünen im Mai, bei dem das Programm für den Herbst verabschiedet werden soll, würde einer Koalitionsaussage, die die Liberalen einschließt, eine Pleite drohen. Realos wie Fundis, wenn man noch ein allerletztes Mal dieses Koordinatensystem aus der Vergangenheit bemühen will, schütteln den Kopf über Künast und Trittin. Mehr Fehlstart in einem Wahlkampfjahr geht nicht.

Natürlich handelt es sich nicht nur um ein Kommunikationsproblem, wie die grüne Bundesspitze zuletzt versucht hat, glauben zu machen – um den Streit ein wenig tiefer zu hängen. Das Problem ist vielmehr die Selbstblockade des Mitte-Links-Spektrums, in der alle drei Parteien das Bekenntnis zur Kooperation auf Bundesebene scheuen, jedenfalls in Richtung mindestens eines der möglichen Koalitionspartner. Die Sozialdemokraten sagen Nein zur Linkspartei, die wiederum hält die SPD für nicht koalitionsfähig. Kein Wunder, dass bei den Grünen nur wenig Begeisterung für Rot-Grün-Rot aufkommt. Über eine Option, von der alle sagen, sie sei keine, braucht man nicht zu reden. Braucht man wirklich nicht?

Wenn noch eine klitzekleine Chance bestehen soll, dass bei den Wahlen im Herbst auch etwas zu wählen ist, dann müssten SPD, Grüne und Linkspartei sich spätestens jetzt dazu durchringen, miteinander das Machbare auszuloten. Es geht hier nicht um eine Liebesheirat oder ein historisches Projekt, nicht der Weg nach Utopia soll beschritten und auch keine Revolution gemacht werden. Aber wenn diese drei Parteien nicht den Notausgang aus der blockierten Republik finden, dann stehen vier weitere Jahre große Koalition bevor, vielleicht sogar ein schwarz-gelbes Bündnis. Daran können Parteien ja wohl nicht ernsthaft interessiert sein, die jetzt mit der Forderung nach Mindestlohn, Börsenumsatzsteuer, Festhalten am Atomausstieg und so weiter um Stimmen werben. Wenn das der Minimalkonsens ist, wäre das immer noch besser als alle anderen "realistischen" Möglichkeiten.

Renate Künast hat in Hagen trotz aller Kritik dafür plädiert, sich im Mai auf eine „Wahlaussage“ zu verständigen, um „eine Brücke zwischen dem Wünschenswerten und Machbaren“ zu schlagen. Wenn die grüne Spitzenfrau dabei immer noch eine Ampel im Kopf hat, sollte man ihr diese ausreden. Man sollte aber nicht dabei stehen bleiben, dies mit der Festlegung auf Grün pur zu versuchen, mit einer "Politik der Eigenständigkeit", wie es der Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen getan hat. Künasts Forderung nach einer Wahlaussage vor dem Urnengang ist keineswegs falsch – sie zielt nur in die falsche Richtung.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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