NS-Zwangsarbeiter: Neues Haftstättenverzeichnis ermöglicht Recherchen

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Die meisten kamen aus Polen und der Sowjetunion, insgesamt waren es über zwölf Millionen Frauen und Männer aus ganz Europa: Zwangsarbeiter, die von den Nazis zwischen 1939 und 1945 als Menschenmaterial für die Rüstungsproduktion, in der Landwirtschaft und den Versorgungsbetrieben versklavt und missbraucht wurden. Die Aufarbeitung ihrer Leidensgeschichten, die Debatte um Entschädigungen und ein angemessener Platz im öffentlichen Gedenken – all das war keineswegs selbstverständlich im Nachkriegsdeutschland.

aus dem Freitag-Archiv
Otto Köhler über den »Versöhnungsfonds«: Kaum mehr als eine Geste – hier
Spurensuche: Vergessene Zwangsarbeit in Mecklenburg-Vorpommern - hier
Ein Gefühl der Niederlage: Der "Arbeitseinsatz" der Czeslawa Ziembowa - hier
Es gab nicht viele Schindler: Thomas Kuczynski über die
Entschädigungssumme - hier
Feilschen um die Vergangenheit: Hamburger Weigerung, eine polnische
Zwangsarbeiterin zu entschädigen – hier

Viel zu spät bekannten sich die Unternehmen zu ihrer Schuld, viel zu spät auch kam eine Initiative in Gang, die den ehemaligen NS-Zwangsarbeitern zumindest symbolische Wiedergutmachung versprach. Die vor zehn Jahren im August 2000 von der damaligen rot-grünen Regierung und einer Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft je zur Hälfte mit 10 Milliarden D-Mark ausgestattete Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zahlte bis Mitte 2006 rund 4,3 Milliarden Euro an über 1,6 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter aus: im Einzelfall zwischen etwa 2.500 und 7.600 Euro.

aus dem Freitag-Archiv:
Wenn Jossyf als Wassyl weiterlebt: Das vergebliche Warten der Opfer – hier
Wenn Menschen sortiert werden: Über die 83-jährige Kato Gyulai - hier
Ich konnte plötzlich nicht mehr Deutsch sprechen: Als Józefa Janina Rucinska den
Sprecher der Stiftungsinitiative traf – hier
Traurige Fehlkalkulation: Viele NS-Opfer werden keine
Entschädigung erhalten - hier

Im Sommer 2007 wurden die Entschädigungszahlungen eingestellt, die Stiftung EVZ finanziert seither Projekte, die der Versöhnung dienen sollen. Dazu gehört auch ein in dieser Woche vorgestelltes Online-Verzeichnis der rund 3.800 Haftorte, an denen NS-Zwangsarbeiter eingepfercht waren. Über die Lager und Gefängnisse war bisher nicht viel bekannt. Wissenschaftler hatten im Rahmen der Stiftungsarbeit zwischen 2000 und 2003 in einer Datenbank Informationen über jene Haftstätten zusammengetragen, in denen KZ-ähnliche Lebens- und Arbeitsbedingungen herrschten. Mit der Veröffentlichung dieser Sammlung stehen nun erstmals für eine breite Öffentlichkeit die vorliegenden Informationen über die Nutzungsdauer als Zwangsarbeiterlager, die geografische Lage sowie Literatur- und Quellenangaben zur Verfügung.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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