Recherche-Methoden: Bunte und Stern streiten

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Darüber, was im Pressewesen unlautere Methoden sind, lässt sich vortrefflich streiten. Auch die Linke hat da ihre Erfahrungen gemacht, immer wieder gab es Kritik an einseitiger Berichterstattung und „Kampagnenjournalismus“. Vor allem der mediale Umgang mit Oskar Lafontaine hat in der Partei Anlass zur Empörung gegeben – nun gibt es einen neuen Grund dafür und der hat es in sich: Der Linken-Chef wurde wie ein paar andere Politiker auch im Auftrag der Zeitschrift Bunte angeblich systematisch bespitzelt. Das Magazin Stern berichtet über diese “Enthüllung” in seiner aktuellen Ausgabe. Nun will die Bunte juristisch gegen die Behauptung vorgehen – es handele sich um Verleumdung eines Konkurrenten.

Nach dem Stern-Bericht hatte eine Berliner Foto- und Recherchefirma namens CMK den Auftrag erhalten, unter anderem über die angebliche Affäre des Saarländers mit der damaligen Europaabgeordneten Sahra Wagenknecht zu recherchieren. Dass die Operation unter dem Codenamen „Scarface“ gestanden haben soll, ist geschmacklos – angeblich eine Anspielung auf die Narbe, die Lafontaines seit dem Attentat von 1990 trägt. Die Firma habe dann die Wohnung des Linkspolitikers in Berlin-Köpenick ausspioniert, es soll sogar den Plan gegeben haben, eine auf Lafontaines Wohnzimmer gerichtete Kamera zu installieren. Ein CMK-Mitarbeiter hat sich dem Bericht zufolge außerdem als Praktikant der Bundestagsfraktion bemüht, um Lafontaine näher zu sein.

Auch wenn die Überwachung nach kurzer Zeit wieder abgeblasen worden sein soll – die Ausrede von Bunte-Chefin Patricia Riekel, ihr sei über “unlautere Methoden” nichts bekannt, wird die Wellen nicht beruhigen, die der Fall nun schlagen wird. Zumal es nicht nur um Lafontaine geht, sondern auch um Franz Müntefering und Horst Seehofer. Die Motivlage der Bunten ist klar: Es handelt sich um Politiker, die mit Affären und jüngeren Frauen in Verbindung gebracht wurden. Der Informationswert der Enthüllung, die sich die Zeitschrift da versprochen hat, ist eigentlich gering. Würden solche privaten Geschichten nicht auch die politische Berichterstattung imprägnieren. Der Fall der angeblichen Affäre zwischen Lafontaine und Wagenknecht hat es gezeigt: Da wurde eine private Beziehung zum politischen Motiv für einen Rückzug umgedeutet.

Riekels Hinweis, von den Methoden nichts gewusst zu haben, ist zudem nicht glaubhaft. Was hat sich die Dame denn so vorgestellt, wie CMK an die Informationen bzw. Fotos gelangen würde? Durch höfliches Nachfragen? Die Spitzelmethode ist in das publizistische Verkaufsmodell der Bunten fest verankert – anders kommt man an die Skandalbilder und Privataufreger doch gar nicht heran. Der Stern hat einen Journalistikprofessor dazu befragt, der es „berufsethisch eindeutig unzulässig“ nennt, wenn die „Privat- oder gar Intimsphäre“ von Politikern ausgespäht wird. Allerdings nicht im Fall Lafontaine, da damit “durchaus relevante politische Fragen verbunden” hätten sein können – ist das dann also ok?

Es ist im Übrigen auch kein Einzelfall: Auf Oskar Lafontaine, berichtete der Focus bereits im November vergangenen Jahres, sollen bereits Ende 2007 gleich vier Detekteien angesetzt gewesen sein. Angeblich ging es auch bei diesem – früher hätte man wohl gesagt: operativen – Vorgang um die berühmt-berüchtigte Affäre des Linksparteichefs. Ein Fraktionssprecher nannte den Bericht damals „ausgesprochen zweifelhaft“. Im Lichte der nunmehrigen Stern-Veröffentlichung ist die ältere Geschichte zusätzlich interessant – der Focus wird von Helmut Markwort geleitet, dem Lebensgefährten von Bunte-Chefin Riekel.

Die Bunte geht unterdessen juristisch gegen den Stern vor. In den drei genannten Fällen habe man “die Agentur um eine journalistische Fotorecherche gebeten”, dies sei “ein übliches journalistisches Vorgehen”, erklärt der Burda-Verlag. Es handele sich hier „um den Versuch der Verleumdung eines erfolgreichen Mitbewerbers“.

Seit dem zweiten Quartal des vergangenen Jahres liege die Bunte „laut IVW im Einzelverkauf, der härtesten Währung des Zeitschriftenvertriebs, vor dem Stern“. Interessant in diesem Zusammenhang ist der Hinweis, dass der Inhaber der Recherche-Agentur erklärt hat, „dass er sich von zwei ehemaligen Mitarbeitern, auf die sich der Stern als Informanten beruft, im April 2009 im Streit getrennt habe“. Außerdem habe der Stern im Fall Seehofer „ebenfalls mit der Agentur CMK zusammengearbeitet“. Die wiederum versichert, unlautere Methoden „nicht angewendet“ zu haben. Man distanziere sich, erklärt die Agentur, von “widerrechtlichen Arbeitsmethoden”, wolle aber nun “intern genauestens prüfen”.

Die Hubert Burda Media gibt allein in Deutschland 68 Magazine, Zeitschriften und Zeitungen heraus, hinzu kommen Beteiligungen an Radios und in der Internet-Branche. Politische Verflechtungen? Zumindest hat die Familie Burda immer mal wieder der CDU gespendet: Nichtraucherinfo berichtete im Jahr 2000, dass 1995 die Burda Holding GmbH & Co. KG der CDU 25.000 DM, im darauf folgenden Jahr 30.000 DM von Frieder Burda, 1997 von Aenne Burda 25.000 DM an die SPD gingen und wiederum ein Jahr später Franz Burda 100.000 DM an die CDU vermachte. Aenne Burda, die Mutter von Bunte-Besitzer Hubert, spendete 2002 erneut an die CDU – 20.000 Euro, und Franz Burda legte noch einmal 18.000 Euro drauf.

Horst Seehofer hat in der Süddeutschen eher gefragt als geantwortet: “Die DDR ist doch vorbei.” Ein Sprecher der Linksfraktion im Bundestag sagte, die “Praktiken kommentieren sich von selbst. Ein Verlag, der sich ihrer bedient, hat mit seriösem Journalismus nichts zu tun.”

Zum weiterlesen:
Gang und Gäbe - Bunte-Chefin Riekel im Deutschlandfunk
Neue Qualität von Verrohrung - Medienanwalt Schertz im Tagesspiegel
Im Graubereich - Hamburger Abendblatt über die CMK-Methoden
Ablenkung statt Aufklärung - DWDL über die Burda-Reaktion
Es schnüffelt - Stefan Niggemeier über den Fall
Dementis, Klagen, Kuriositäten - zur Topstory von meedia.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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