Rüttgers-Garantie im Aufsteigerland: Die Wünsche der Wirtschaft

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Wen wählen am 9. Mai eigentlich die Unternehmer? Ihre Lobby, also die Wirtschaftsverbände, wünscht sich jedenfalls die Fortsetzung der schwarz-gelben Regierung in Düsseldorf. Das ist wahrlich keine Überraschung. Ebenso wenig, dass der Präsident des NRW-Handwerkstages meint es wäre „das Schlechteste (…) wenn die Linke dazukäme“. Ähnlich haben sich der Chef der nordrhein-westfälischen Arbeitgeberverbände und der Präsident der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern geäußert. Man brauche eine „pragmatische Regierung“, bei der Koalitionsbildung könne man es sich „nicht erlauben, auch nur einen Tag zu warten“, eine andere als die CDU-FDP-Regierung werde die Wirtschaft nicht mehr fördern. Und so weiter.

Anfang der Woche hat die Wirtschaftslobby ihre Vorstellungen präsentiert und dabei durch die Blume auf „Arbeiterführer“ Jürgen Rüttgers ermahnt, der in einem Interview vom neoliberalen Mantra „Privat vor Staat“ abgerückt war. Die Formulierung „taugt für die Zukunft nicht mehr. Sie ist zu einseitig“, hatte der CDU-Ministerpräsident erklärt und seinerseits indirekt gegen die FDP geschossen: „Es gab zu viele Marktradikale und zu wenige, die das Ganze im Blick hatten.“ Die Liberalen schickten daraufhin ihren Fraktionschef Gerhard Papke vor, der die „bemerkenswerte Distanzierung“ als „etwas befremdlich“ kritisierte. Ein Riss? Eher der Streit um die schwindende Ressource „Wählerstimme“. Auch Rüttgers hat sich für die Fortsetzung von Schwarz-Gelb ausgesprochen – aber ebenso ausdrücklich erklärt, es werde keine Zweitstimmenkampagne zugunsten der Liberalen geben.

Zurück zu den Wirtschaftsverbänden. In deren „Erwartungen“ an die kommende Landesregierung liest man alt Bekanntes: Haushaltskonsolidierung und Bürokratieabbau vorantreiben, Überregulierung verhindern, Umweltvorschriften „verhältnismäßig“ gestalten, stärkerer Straßenausbau und so weiter. Bei der Präsentation wurde auch auf die gute Bilanz der vergangenen fünf Jahre verwiesen. Es gelte, „die Anstrengungen fortzusetzen, damit die Rahmenbedingungen für ein stabiles und erfolgreiches Nordrhein-Westfalen weiter verbessert würden“. Die FDP formuliert das etwas offensiver: „Wir haben NRW vom rot-grünen Absteigerland zu einem echten Aufsteigerland gemacht.“ Und von der CDU gibt es die „Rüttgers-Garantie“, da nur der Ministerpräsident „garantiert, dass Nordrhein-Westfalen stabil bleibt und kompetent regiert wird“.

Dazu könnten Meldungen wie diese zu passen:In Nordrhein-Westfalen hat sich die Wirtschaftslage im April laut Ifo-Index weiter verbessert. Wie das NRW-Wirtschaftsministerium am Mittwoch in Düsseldorf mitteilte, wurde der beste Wert seit 24 Monaten verzeichnet.“ Die Frage ist, welche Aussagekraft positive Nachrichten haben, wenn sie doch direkt von der Landesregierung bestellt sind. Der Landes-Ifo-Index wird im Auftrag der staatlichen NRW.Bank ermittelt, für die Verbreitung der guten Nachrichten sorgt das Wirtschaftsministerium. Dass in NRW die „Wirtschaft boomt“, hieß es auch schon im Sommer 2007 unter Berufung auf den optimistischen Ausblick der Unternehmen – es kam dann alles ein wenig anders.

Über den Abstand zwischen Eigenlob und Realität hat unlängst Wolfgang Lieb auf den nachdenkseiten.de hingewiesen – anhand des Wahlaufrufs der FDP. Die hatte sich darin mächtig auf die eigene Schulter geklopft, was zunächst noch nichts Anstößiges ist. Auch eine rot-rote Koalition würde vor einer Wahl auf eigene Erfolge verweisen oder was man dafür hält. Lieb zeigt aber, wie die Liberalen „bei nahezu jeder Sachaussage“ die Wirklichkeit beschönigen und „weiße Salbe statt konkreter Vorschläge“ anbieten würden. Um nur drei Beispiele zu nennen: Im April 2010 hatte Nordrhein-Westfalen unter den westlichen Flächenländern mit 9 Prozent die höchste Erwerbslosenquote, an Rhein und Ruhr sind verhältnismäßig mehr Menschen auf staatliche Hilfe angewiesen als in anderen Flächenländern im Westen und beim Bruttoinlandsprodukt lag das „Aufsteigerland“ unter dem Durchschnitt.

Miese Arbeitsmarkt-Bilanz: Rüttgers-Regierung macht NRW
zum „Absteigerland“, schreibt das Handelsblatt (hier)

Begleitschaden: Die Frankfurter Allgemeine warnt vor den Folgen
einer „vorwiegend ökologisch fokussierten Wirtschaftspolitik“
(online nur gegen Geld)

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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