Der Landeschef der Linken im Saarland hat also Recht behalten: „Jamaika löst sich auf“, frotzelte Rolf Linsler bereits Mitte Dezember. An diesem Freitag hat CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer den Bruch tatsächlich vollzogen. Sie habe die Koalitionspartner von FDP und Grünen darüber informiert, „dass Vertrauen, Stabilität und Handlungsfähigkeit innerhalb des Regierungsbündnisses nicht mehr ausreichend vorhanden sind“. Zur Begründung wird auf die Querelen bei den Liberalen verwiesen. Seit langem belasten Personalien der FDP das Regierungsbündnis, die Fraktion hat seit Wochen keinen Vorsitzenden. Dieser Zustand, so die Unionspolitikerin, sei „nicht mehr länger mit der Verantwortung für die Zukunftssicherung des Landes vereinbar“. Das ist das eine.
Das andere sind Zeitpunkt und bundespolitische Signalwirkung. Denn die CDU ließ die Nachricht vom Platzen des umstrittenen Bündnisses just zu der Stunde durchsickern, als FDP-Chef Philipp Rösler beim Dreikönigtreffen abermals eine Rettungsrede für die trudelnden Liberalen hielt. Kramp-Karrenbauer erklärte am Nachmittag mit Blick auf die Liberalen, die "personellen Risiken" seien zu groß. Doch der "Zustand der Zerrüttung" ist nicht erst in dieser Woche eingetreten. Entwicklungsminister Dirk Niebel sagte denn auch, "hätte man nicht den politischen Partner, die FDP, schädigen wollen, hätte man das schon viel früher machen können." Anzunehmen ist, dass sich Kramp-Karrenbauer mit Angela Merkel verständigt hat und die Kanzlerin zumindest nicht darauf drängte, einen anderen Termin zu wählen.
Vor dem Hintergrund der Affäre um Bundespräsident kommt die Saar-Nachricht in doppelter Weise recht – ein neues Aufregerthema könnte von den ewigen Debatten über Christian Wulff ablenken; auch liegt ein (Landes-)Bündnis aus CDU und SPD auf einer Linie, die Merkel gegebenfalls alternativ auch im Bund beschreiten könnte. Die Liberalen fürchten offenbar genau das: "Wir sind stabil in der Bundesregierung. Das Saarland ist eine rein regionale Frage", wiegelte Gesundheitsminister Daniel Bahr ab.
Wie geht es nun weiter? Die CDU hat Vorgespräche mit den Sozialdemokraten geführt und strebt nun eine Große Koalition an. Kramp-Karrenbauer bot entsprechende Gespräche über ein mögliches Bündnis der SPD an. Die Sozialdemokraten hatten das noch vor dem Auftritt der Ministerpräsidentin am Nachmittag durch die Mitteilung bestätigt, der Landesverband wolle am Wochenende „über ein Koalitionsangebot der CDU beraten“. Allerdings bleibt die Frage, ob die SPD es vermitteln kann und für sinnvoll hält, in ein Bündnis unter CDU-Führung zu wechseln, statt die günstige Ausgangslage zu nutzen.
Rot-Rot-Grün offenbar kein Thema
Die eine Alternative, ein rot-rot-grünes Bündnis, ist wohl derzeit keine Option – auch wenn der Grüne Wolfgang Strengmann-Kuhn in einer ersten Reaktion meinte, der Bruch von Jamaika „wäre eigentlich die Chance für die SPD die CDU in die Opposition zu schicken“. Das würde eigentlich auch dem Tenor der bisherigen Äußerungen von Sozialdemokraten im Saarland entsprechen: "Mit dieser Regierungskoalition wird das Saarland immer mehr zum Gespött der ganzen Nation", sagte Heiko Maas vor ein paar Tagen – warum also mit den Verursachern des Gespötts nun eine Koalition bilden. Zumal die politischen Übereinstimmungen zwischen SPD, Grünen und Linken größer sein dürften als die mit der CDU.
Doch die Sozialdemokraten sind im Saarland derzeit in einer starken Position. Sie können wählen. Die Tageszeitung rechnet die aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Landtag vor: "Im Saar-Landtag mit 51 Abgeordneten hatte die bisherige Jamaika-Koalition eine knappe Mehrheit. Die CDU kommt – inklusive eines übergewechselten, aber parteilosen Ex-FDP-Fraktionsmitglieds – auf 20 Abgeordnete. Die FDP hat noch 4 Parlamentarier, die Grünen stellen 3. Die bislang oppositionelle SPD hat 13 Abgeordnete, die Linke 11."
Klappt es mit Kramp-Karrenbauer nicht, kann immer noch die Reißleine gezogen werden. Im Tagesspiegel sprach der saarländische Bundestagsabgeordnete und SPD-Linke Ottmar Schreiner von einer Zäsur: Nötig sei "ein Neuanfang", und darüber müsse die Bevölkerung entscheiden. Bei etwaigen Neuwahlen würde die SPD deutlich hinzugewinnen, die Liberalen müssten um den Einzug in den Landtag bangen und auch die Linke des im Saarland populären Fraktionschefs Oskar Lafontaine würde nach den letzten, nicht mehr sehr aktuellen Umfragen Punkte einbüßen. Immerhin: Im November kamen SPD und Linke zusammen auf 47 Prozent, CDU, FDP und Grüne dagegen nur auf 45 Prozent.
Jamaika war 2009 noch von CDU-Ministerpräsident Peter Müller geschmiedet worden – unter tatkräftiger Mithilfe eines einflussreichen Unternehmers und eines bei diesem angestellten Grünen-Landeschefs. Die Chance zu einer rot-rot-grünen Koalition war seinerzeit nicht genutzt worden – gegen den Willen von SPD und Linken.
Kommentare 12
Filz und Sumpf – Die Jamaika Clique und die Machtspiele an der Saar
Oskar Lafontaine bezeichnete die frisch gewählte Landesregierung als „zusammengekauft“ und „nicht auf demokratisch legitimierte Weise zustande gekommen.“ Zahlreiche Bele...ge, die diese Annahme stützen, finden sich in Wilfried Voigts Buch „Die Jamaika Clique“. Wilfried Voigt entwirft ein wunderbares Sittengemälde. Manche Puzzles waren noch bekannt, andere schon aus dem Gedächtnis verschwunden, viele hat der Verfasser entdeckt. Es ist ein heimatverbundenes Gesamtkunstwerk aus Korruption, Mauschelei und Vetternwirtschaft.
Es ist alles vorhanden, was man sich nur wünscht. Fussmatten, CTT, Berliner Bankenskandal, think solve, Lohnsteuerrückstände in Höhe von 17 Millionen Euro, ein Sumpf der in vielen Farben des Parteienspektrums aufleuchtet, Spenden, Karteileichen, ein Pöstchen hier und ein Pöstchen da, oder die wundersame Niederschlagung von Steuern. Anton Kuh hat recht. Die Weltgeschichte läuft genau so ab, wie es sich der kleine Moritz vorstellt. Das Wahlrecht im Saarland sollte an die Lektüre dieses Buches geknüpft werden.
Hehre Lichtgestalten, die sich in den Vordergrund drängen, die aus der sich um die Futternäpfe balgenden Schar herausheben, sind Hubert Ulrich und Hartmut Ostermann. Der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit über seinen Parteifreund Ulrich in ergreifender Schlichtheit: „Er ist ein Mafioso.“ Beim politischen Landschaftspfleger Hartmut Ostermann, der wegen des Verdachts auf gewerbsmässigem Steuerbetrugs schon mal ins Kittchen wanderte, fällt der Verzicht auf den diskreten Charme der Bourgeoisie auf. Ostermann scheut nicht die Öffentlichkeit, war Präsident des 1. FC Saarbrücken und ist noch Kreisvorsitzender der Saarbrücker FDP. Bei den Koalitionsverhandlungen sass er seinem ehemaligem Arbeitnehmer Hubert Ulrich direkt gegenüber. Kurz darauf kurz darauf erklärten sich die grünen Saarländer zu Modernisierer, die jenseits verkrusteter Denktabus, die sozialökologische Erneuerung vorantreiben und wählten Peter Müller zum Ministerpräsidenten. Im Wahlkampf hatten sie dessen Abwahl versprochen.
„Die Jamaika-Clique“ vereint in sich zwei Zäsuren der Bundesrepublik. Voigts arbeitete Jahrzehnte für den „Spiegel“ und die „Frankfurter Rundschau“. Vor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren wäre ein solches Buch mit solch aufklärerischem Furor bei Rowohlt Aktuell oder dem Spiegel verlegt worden. Jetzt hat es der kleine Conte-Verlag herausgebracht. „Die Jamaika-Clique“ erscheint und eine nennenswerte, linksliberale, kritische Öffentlichkeit verschwindet.
weiterlesen : www.s-o-z.de/?p=41808#more-41808
Nachtrag: Die saarländische SPD wird das Gesprächsangebot von CDU-Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer zur Bildung einer großen Koalition im Saarland annehmen, berichtet die "Saarbrücker Zeitung" unter Berufung auf SPD-Kreisen bestätigt. "Ob es allerdings zu einer großen Koalition kommt", so ein Präsidiumsmitglied der SPD Saar, hänge "vom Ergebnis der Gespräche mit der CDU und der Zustimmung der SPD-Gremien ab." bit.ly/wcHQpm
Was Lafontaine, Lötzsch und Özdemir jetzt wollen - nämlich Neuwahlen - , lesen Sie hier: bit.ly/xmV2iQ
Etwas Besseres als das Zerfallen der Koalition im Saarland, die noch dazu der FDP zugeschrieben wird, kann es für die Bundes-CDU derzeit gar nicht geben:
Auf die Bundes-FDP hat es formal keinen Einfluss, gleichzeitig wird ihre Position so stark geschädigt, dass die Fraktion sich in Zukunft noch mehr als das fühlen darf, was der gemeine Wähler längst iust: Stimmvieh.
Von der FDP ist im Bund nun letztgültig nichts mehr zu erwarten.
Gleichzeitig nimmt es Druck vom Amt des Bundespräsidenten, dessen Lügen nicht mehr auf Seite 1 erscheinen dürften, sondern weiter hinten - die Krise der FDP verdrängt die Krise Wulffs.
Und wieder wird die SPD einen Rechtsschwenk machen, nur um mit an die Macht zu kommen!
Die FDP hat damit endgültig bewiesen, dass man sie zu nichts mehr brauchen kann und sie überflüssig ist.
Tja, das kleine Saarland und der kleine Wulff, wer hätte das gedacht.
Wo war eigentlich Bild? Bild sprach zuerst mit dem Koalitionsbrecher! Immer vorweg die Jungs, ganz im Geiste eines investigativen Journalismus.
Was will jetzt eigentlich die SPD, Neuwahlen oder mitregieren, je nach Gemengelage versteht sich.
Wann kommt denn nun endlich die große Koalition im Bund? Sie wird von manchen so herbeigesehnt, dass sie mit Händen zu greifen ist. Dann haben wir endlich wieder eine klare Vorgabe, wohin die Parteispenden fließen sollen. Fehlinvestitionen wie beispielsweise in die FDP sollten aber tunlichst unterbleiben. Obwohl für die Hoteliers hat es sich ja gelohnt.
warum will die spd ne koalition mit der abgewirtschafteten cdu eingehen, wo sie bei neuwahlen stärkste fraktion werden könnten.
auf gehts oskar ins letzte gefecht. und danach parteichef der linken.
Insbesondere die Rolle der saarländischen Grünen als Wurmfortsatz der örtlichen FDP verdient eine politische Würdigung. Das Spiel mit der CDU wird die Grünen im Saarland für lange Zeit ähnlich unwählbar machen wie in Hamburg. Die SPD mit Heiko Maas hat durchaus keinen Grund, sich so besonders stark zu fühlen. Denn die Ministerpräsidentin dürfte an Ansehen gewonnen haben mit dem Rausschmiss ihrer unsäglichen Partner. So eine Tat wird schon mal vom Wähler belohnt mit einer absoluten Mehrheit (z.B. Ole von Beust, 2004). In einem Linksbündnis hätte die SPD statt überzeugender Projekte nur die alten Parolen von Schuldenbremse und Agenda2010 zu bieten, und zusätzlich noch den LaFo und die moralisch belasteten Grünen im Boot. Die SPD wird sich deshalb nicht lange zieren und als Junior-Partner der CDU die freigewordenen Ministersessel einnehmen. Es läuft ohnehin überall auf die Große Koalition hinaus. Agenda2020 ist das Ziel!
Ein Signal für den Bund?
Wohl kaum. Aufgrund der bundesweiten Schwäche der FDP und des Scheiterns der Jamaika-Koalition im Saarland bleiben Frau Merkel einfach gar keine anderen Optionen als auf Bundesebene mit der SPD zu koalieren. Die SPD hat es diesbezüglich etwas einfacher, immerhin kann sie noch wählen zwischen Grünen oder eben der CDU, langfristig sogar mit der Linken auf Bundesebene.
Allein aus diesen Gründen scheint das Ergebnis der kommenden Bundestagswahlen vorhersagbar. SPD und CDU etwa gleich stark, die CDU vielleicht mit kleinen Vorteilen. Ist die CDU erneut Regierungspartei, dann nur mit der SPD. Es liegt an der Stärke der Grünen, ob sie zusammen mit der SPD eine erneute Regierungskoalition bilden können. Allerdings kann bis 2013 auch noch viel passieren! Vielleicht besinnt sich die FDP, kehrt zu inhaltlichen Debatten zurück, zerlegt sich nicht selbst öffentlich und kann deshalb auf mehr als 5 % kommen.
eine mehrheit von rot rot grün scheitert an der vergangenheit, an grün und daran, dass sowohl bei grün als auch bei der spd und den linken die führenden, handelnden personen die gleichen sind. ein trio, das an sich das höchst mögliche misstrauen untereinander haben müsste. wer will da ernsthaft an rot rot grün glauben? erst recht ohne neuwahlen, wo man an sich hoffen muss, dass zwei rausfallen. nämlich fdp und grüne und die piraten es nicht schaffen. nur so ist eine andere mehrheit jenseits der großen koalition denkbar, verbunden mit der hoffnung das maas und lafontaine halbwegs miteinander können und die leute daghinter ebenso. ansonsten bleibt nur die große koalition auch nach neuwahlen (oder schwarz-grün, was den grünen wahrscheinlich eher liegt) mit der veränderung der bedeutung je nach wahlergebnis pro/contra spd.
alles andere scheint (ist) unwahrscheinlich. oder mag sich jemand rot rot piraten vorstellen?
nun ist fertig mit sondieren und der wähler darf neu entscheiden. man darf gespannt sein, ob die linke beton anrührt oder sich selber rührt.
wenn die spd sich nicht rührt und weiter für soziale einschnitte ist, dann ist beton anrühren nicht das schlechteste.