Schlichten und Spalten

Tarife Die Tarifeinigung für die Metall-Branche kam überraschend schnell. Als Argument gegen die Verdi-Forderung für den Öffentlichen Dienst taugt der Abschluss nicht

Es dauerte bis tief in die Nacht, doch der Hinweis auf die Wiederkehr eines alten Rituals ging dennoch etwas daneben: Metall-Unternehmer und Gewerkschaften haben sich nach langem Verhandlungsmarathon am Donnerstagmorgen so schnell wie lange nicht auf einen Abschluss geeinigt. Die Folgen der Krise in der Metall- und Elektro-Branche hatten auf beiden Seiten den Wunsch nach einer Einigung im Eiltempo aufkommen lassen, die Tarifgespräche waren sogar vorgezogen worden.

Der Politabschluss in Nordrhein-Westfalen, der für die 3,4 Millionen bundesweit Beschäftigten die Marken setzt, enthält allerdings nicht nur das angesichts der Auftragslage so wichtige Beschäftigungspaket. Das Aus für 700.000 Jobs fürchtete die IG Metall wegen der Krise – nun müsse deshalb niemand gekündigt werden, sagt NRW-Bezirksleiter Oliver Burkhard.

Außerdem gibt es auch eine Lohnerhöhung – 320 Euro Festbetrag im ersten Jahr, und noch einmal 2,7 Prozent plus ab April 2011. Das ist ein, wenn auch zurückhaltender, Erfolg für die Gewerkschaft. Die IG Metall hatte wegen der Krise erstmals auf eine konkrete Entgeltforderung verzichtet, zugleich aber klargestellt, dass man keine Reallohneinbußen hinnehmen werde. Die Arbeitgeber hatten dagegen noch am Mittwoch vor der zweiten Verhandlungsrunde erklärt: „Unser Angebot ist Null.“

Wessen Interessen?

Während die Metall-Tarifrunde trotz dieser Haltung ein schnelles Ende fand, geht es für die runde zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen am Donnerstag erst richtig los. Wieder einmal startet eine Schlichtung im öffentlichen Dienst. Schon 2008 war eine Einigung erst auf diesem Wege zustande gekommen. Die Voraussetzungen für die Gewerkschaft haben sich seither nicht verbessert. Mit Krise und Kassenlage wird gegen die Verdi-Forderung polemisiert: Es könne doch nicht im Interesse der Beschäftigten sein, heißt es gebetsmühlenartig, wenn der Staat mit hohen Gehaltswünschen in die Pleite getrieben wird.

War es denn im Interesse der Krankenschwestern und Busfahrer, dass marode Spekulationsbanken gerettet wurden? Dass die öffentlichen Kassen zu Gunsten von Hoteliers und reichen Erben geplündert werden? Dass eine „Beschäftigungspolitik“ Billigjobs fördert, das Lohnniveau drückt und so auch öffentliche Einnahmen verringert? Probleme könne man nie mit der Denkweise lösen, mit der sie entstanden sind, hat Verdi im allerersten Flugblatt zur aktuellen Tarifrunde Albert Einstein zitiert. Genau: Statt auf die alte Gürtel-enger-schnallen-Masche zu verfallen, müsste Schwarz-Gelb selbst für eine ordentliche Tarifsteigerung werben – damit der Konsum den Aufschwung befeuert, auf den die Koalitionspolitik spekuliert.

Die Arbeitgeber, also der Staat, haben 1,5 Prozent für zwei Jahre ins Spiel gebracht. Aus diesem „Angebot“, das keines ist, müssten alle gewerkschaftlichen Forderungen bezahlt werden. Ein Prozent der Gesamtsumme soll auch noch in einen Topf für „leistungsorientierte Bezahlung“ fließen.

Erst Lohnpausen, dann Kürzungen?

Für die Realeinkommen der Beschäftigten hieße das, bei dieser Laufzeit gäbe es unterm Strich ein Minus. Zwar ist 2009 der Anstieg der Verbraucherpreise vergleichsweise gering geblieben, aber so bleiben muss und wird das nicht. Schon in den vergangenen Jahren konnten sich Müllwerker, Erzieherinnen und Sachbearbeiter mit ihren Einkommen immer weniger leisten. „Wenn sie jetzt mit Lohnpausen kommen“, hat Verdi-Chef Frank Bsirske gewarnt, „kommen sie demnächst mit Lohnkürzungen.“

Eine Warnung, die auch die IG Metall nicht ignorieren konnte. Deren lohnpolitische Zurückhaltung im Vorfeld der Verhandlungen wurde in den vergangenen Tagen gern einmal gegen den angeblich aggressiven Tarif-Traditionalismus von Verdi ins Feld geführt. Sogar noch, als diese Dienstleistungsgewerkschaft ihre Gesamtforderung schon deutlich auf 3,5 Prozent zurückgenommen hatte. Die Bewegung, wie sie der Bundesinnenminister von Verdi verlangt, hat es also längst gegeben.

„Gute Gewerkschaft, böse Gewerkschaft“ – wer dieses Spiel bisher mitmachte, wollte nichts von den unterschiedlichen Rahmenbedingungen und der jüngeren Tarifgeschichte wissen. Die Metall- und Elektrobranche ist von der Krise ganz anders betroffen, und ein höherer Abschluss im Öffentlichen Dienst wäre nach Jahren auseinander laufender Lohnentwicklung kein Problem, sondern ein Beitrag nachholender Gerechtigkeit. Was die IG Metall lohnpolitisch dann trotzdem erreicht hat, kann für Verdi nur die untere Orientierungsgrenze sein. Gegeneinander ausspielen lassen sich Arbeitsplatzsicherung und Gehaltsplus jedenfalls nicht.

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