So schnell wie möglich raus? SPD diskutiert über Afghanistan

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

„Die Bundesregierung sichert zu, den Deutschen Bundestag fortlaufend über entsprechende Fortschritte zu unterrichten.“ So endet der Antrag der Bundesregierung, mit dem im Februar das Bundeswehr-Mandat verlängert wurde. Von Fortschritten am Hindukusch ist derweil nicht mehr die Rede. Lediglich die Liste der toten Soldaten wird länger.

Die Nachrichten, inzwischen von Worten wie "gefallen" dominiert, die Endphase des Wahlkampfes in Nordrhein-Westfalen und das offensichtliche Scheitern der militärischen Strategie am Hindukusch – all das sorgt für ein vielstimmiges Echo in der SPD. Als der Bundestag im Februar über das neue Afghanistan-Mandat der Bundeswehr abstimmte, votierten lediglich 16 Abgeordnete der SPD gegen die Verlängerung des Kriegseinsatzes. Inzwischen könnte die Zahl der Gegner unter den Sozialdemokraten größer ausfallen – das zeigen nicht zuletzt die Befürworter, die nun nach „Besonnenheit“ rufen. Am Dienstag steht das Thema Afghanistan in der SPD-Fraktion auf der Tagesordnung, der Bundestag wird wohl auch erneut mit dem Krieg beschäftigen.

Dass die SPD offen über den Afghanistaneinsatz streitet, wie es auf Seite 1 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung heißt, ist dabei vielleicht etwas übertrieben. Aber die schon länger bestehenden unterschiedlichen Positionen treten nun eben ein wenig markanter an die Oberfläche, mancher Sozialdemokrat hofft auch darauf, dass die Front der Ablehnung des Einsatzes in der Partei breiter wird. Klaus Barthel prophezeite in der Süddeutschen, es werde nun in der SPD „zwangsläufig eine Debatte geben“. Sein Fraktionskollege Peter Danckert wird mit den Worten zitiert, „ich kann nur hoffen, dass die Diskussion in der Fraktion kritischer wird, weil die Lage in Afghanistan beklagenswerter wird“.

Frank-Walter Steinmeier müht sich unterdessen, die Dämme zu befestigen. „Dieses tragische Ereignis jetzt politisch auszunutzen, wäre billig und falsch“, droht er den „Abweichlern“, die man womöglich bald nicht mehr so nennen kann, weil Steinmeier mit seinem Afghanistankurs selbst in die Minderheit geraten könnte. Sätze wie „deshalb wird die SPD-Fraktion bei ihrem Kurs bleiben, den wir im aktuellen Mandat niedergelegt haben“ sollen dies verhindern. Ebenso wie das Argument, man dürfe nicht „kopflos hinausgehen“ – jeder rasche Abzug wird so vorsichtshalber zum unüberlegten Schritt umetikettiert, die Wortwahl allerdings zeichnet angesichts der wachsenden Zahl von toten Soldaten ein makabres Bild. Dessen sich übrigens auch sein Amtsnachfolger, Außenminister Guido Westerwelle, bediente.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering plädiert dagegen für einen raschen Abzug. „Aus meiner Sicht sollten wir aus Afghanistan so schnell wie möglich raus“, sagte er dem NDR - auf diese Linie hatte sich der Landesvorstand bereits vor einiger Zeit geeinigt. „Ich möchte diesen Krieg nicht, und ich nehme wahr, dass die Mehrheit der Deutschen ihn auch nicht will“, so Sellering. Unterstützung erhielt er vom schleswig-holsteinischen Landeschef Ralf Stegner: „Wir müssen so schnell wie möglich raus aus. Je früher, desto besser. Die militärische Logik geht nicht auf.“ Es gehe zwar nicht um eine Lösung innerhalb weniger Wochen, so Stegner, es müsse aber auch alles getan werden, damit der Einsatz der Bundeswehr nun nicht scheibchenweise verlängert wird.

Nicht nur Steinmeier, auch die Union versucht nun, kritische Stimmen in der SPD als Wahlkampfmanöver abzutun. Mag sein, dass manche sozialdemokratische Korrektur sich nach dem Wahlkalender richtet – unter dem Strich gehen diese SPD-Vertreter aber auf die Mehrheit in der Bevölkerung zu, die den Kriegseinsatz ablehnt. Die Forderung nach einem raschen Abzug könnte mit jedem toten Soldaten wachsen, das sieht man mit zunehmendem Bedenken auch in der schwarz-gelben Koalition. Die „Stunde der Zweifler“ schlägt laut Süddeutsche inzwischen auch an einigen Stellen in der CDU – vor allem in Nordrhein-Westfalen. In der Union hatte es Ende Februar bei der Mandatsabstimmung lediglich zwei Nein-Stimmen gegeben. Wenn Fraktionsvize Andreas Schockenhoff in der Welt am Sonntag einen „vorbehaltlosen Rückhalt für unsere Soldaten“ fordert, dann ist das also womöglich nicht nur an die Adresse der SPD gerichtet, auch wenn es Schockenhoff im Wahlkampf vor allem darum geht, die Sozialdemokraten zu treffen.

Die früher der SPD-Linken zugerechnete Andrea Nahles übrigens hat im Deutschlandfunk ausführlich zum Thema Afghanistan Stellung genommen, oder besser: am heißen Brei vorbeigeredet. Sie glaube, „dass wir uns jetzt einen umfassenden Überblick über die Sicherheitslage machen müssen“. Dabei gehe es um Fragen wie: „Können wir die gesetzten Ziele erreichen? Ist ein Abzug und die Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung möglich oder müssen wir - noch mal - auch im Verbund mit unseren internationalen Partnern Neues probieren? Ist alles getan, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen?“ Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin will nun eine „Bewertung dieses Afghanistan-Einsatzes von unabhängiger Seite“.

Vielleicht fragen beide einfach noch einmal beim deutschen NATO-General Egon Ramms nach. Der ist zwar keine „unabhängige Seite“, aber durchaus im Bilde, was den Afghanistan-Einsatz und die im Bundeswehr-Mandat formulierten Ziele angeht. Im Focus hat Ramm gerade erklärt, er „sehe nicht, dass diese, trotz aller Bemühungen der internationalen ISAF-Truppe, absehbar erfüllt werden“. Der Militär zieht daraus den Schluss, die internationalen Truppen müssten länger in Afghanistan bleiben. Es ist der falsche. Die "fortlaufende Unterrichtung" über "entsprechende Fortschritte" in Afghanistan, sie wird solange der Krieg dort anhält auch in Zukunft ausbleiben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden