Man kann diese Geschichte so oder so erzählen. Die eine Variante ist mehr ein Lehrstück, wie verwoben Politik und Medien funktionieren, wie Letztere ein Bild der Realität formen, bis Erstere sich diesem irgendwann nicht mehr entziehen kann. Der Zeithorizont dieser Erzählung reicht bis in den November vergangenen Jahres zurück.
Damals erschien im Spiegel ein Beitrag, der wegen eines alten Gerüchts für Schlagzeilen sorgte, worauf sich Oskar Lafontaine gezwungen sah, seine Krebserkrankung öffentlich zu machen, was in eine Nachfolge-Diskussion mündete, die später niemand mehr geführt haben wollte. Zu einem „Machtkampf“ wurde die Angelegenheit, als öffentlich behauptet wurde, der Bundesgeschäftsführer der Linken Di
ls öffentlich behauptet wurde, der Bundesgeschäftsführer der Linken Dietmar Bartsch selbst sei am Vorsitz interessiert, und Landesverbände der Partei im Westen begannen, dessen Demission zu fordern. Dazu wurden Informationen an die Medien gespielt – die Kritiker taten also das, was sie dem 51-Jährigen vorwarfen.Die Sache erschien mehr und mehr als ein Konflikt zwischen Ost-Reformern und West-Fundis, mehr noch aber als Drama der Illoyalität – das Vertrauensverhältnis zwischen dem Stralsunder und dem Saarländer sei zerrüttet, Lafontaine – so wurde gestreut – könne womöglich seine Rückkehr an die Bedingung knüpfen, dass Bartsch nicht mehr Bundesgeschäftsführer bleibt. Gregor Gysi hat das mit dem Argument zurückgewiesen, der Parteichef sei doch nicht „kleinkariert“. Dessen Schweigen zum Fall Bartsch ließ sich freilich genauso gut anders herum verstehen.Das vorläufige Ende des „Machtkampfes“ wurde Anfang dieser Woche von Gysi mit dem mehr als deutlichen Hinweis eingeläutet, es sei Bartsch gewesen, der mit seinem „Fehler“ den Wirbel erst ausgelöst habe. Man habe nun ein Problem, werde aber eine Lösung finden, eine die zwar „wehtut“. aber nicht mit Demütigungen einhergehen soll.Anerkennung als SchatzmeisterKaum zu erwarten, dass Bartsch unter diesen Umständen im Mai noch einmal für das Amt des Bundesgeschäftsführers kandidiert. Auch von der Möglichkeit eines Rücktritts war bereits die Rede. So würde eine lange Karriere enden – und mit der ist die andere Version dieser Geschichte vom „Machtkampf“ verknüpft. Sie reicht zurück weit in die neunziger Jahre und weist bereits all jene politischen und persönlichen Konflikte auf, die zu verstehen heute schwerer fällt, wenn sich alles auf den Vorwurf der „Illoyalität“ in zwei minderschweren Fällen reduziert.Bartsch, der in der DDR Wirtschaftswissenschaften studierte und später im Verlag der Jungen Welt arbeitete, war 1991 Schatzmeister der PDS geworden. Das Amt war zu jener Zeit alles andere als ein Vergnügen, Bartsch erwarb sich Anerkennung und wurde 1997 PDS-Bundesgeschäftsführer. Ein Jahr später zog die Partei erstmals in Fraktionsstärke in den Bundestag ein und mit ihr Bartsch.Der Eishockey-Fan und begeisterte Volleyballspieler gehörte schon damals zu den Protagonisten der Reformer – argwöhnisch beäugt von den „Parteilinken“. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn auf den Flügeln der Linkspartei auch neue Namen zur Geltung kamen. Ein paar grundlegende Differenzen und Feindschaften gehören aber zum Traditionsbestand der PDS – sie ließen sich bei der Linkspartei bruchlos fortsetzen: Etwa zur Frage, unter welchen Bedingungen man mitregieren darf. Im gegenwärtigen Konflikt – mag er noch so als personelles Scharmützel oder Herkunftsproblem erscheinen – wird auch dieser Dauerstreit fortgesetzt.Erinnerungen an GeraDabei dürfte die Erinnerung an die Vergangenheit bei einigen als Treibsatz wirken. Nachdem die PDS im Jahr 2002 unter Bartschs Verantwortung als Wahlkampfleiter den Wiedereinzug in den Bundestag vermasselte, geriet die Partei in ihre bis dahin schwerste Krise. Meinungsverschiedenheiten über den Kurs gerieten zum offenen Zerwürfnis. Auf dem legendären Geraer Parteitag nach der Wahlpleite hing gar ein Transparent auf den Rängen: „Sozialismus statt Bartschismus“.Der so auf seine Weise irgendwie auch Geadelte zog sich damals aus der hauptamtlichen Parteiarbeit zurück, arbeitete als Unternehmensberater und kam 2004 als Geschäftsführer zum parteinahen Neuen Deutschland. Es war die Zeit der Montagsdemos gegen Hartz IV, als im Westen enttäuschte Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Linke mit der WASG eine Partei gründeten. Und sich alsbald die Frage stellte, ob diese nicht besser mit der im Osten starken PDS kooperieren sollte.Bartsch musste seinerzeit kaum dazu gedrängt werden, wieder in der ersten Reihe politisch mitzumischen. Er wurde 2005 erneut Bundesgeschäftsführer und organisierte maßgeblich die Fusion zur neuen Linken mit. Über seinen Führungsstil war dabei nicht jeder begeistert, ebenso wenig darüber, dass der Bundesgeschäftsführer der gesamten Partei mitunter den Eindruck hinterließ, vor allem ein Mann der Landesverbände Ost zu sein."Machtmensch" unterliegt in "Machtkampf"Gregor Gysi hat zu Beginn der Woche die nicht zu bestreitenden Verdienste des Vaters zweier Kinder aufgezählt, das klang bereits wie ein politischer Nachruf. Doch dass der „Machtmensch“ Bartsch in einem „Machtkampf“ verliert, ist weniger überraschend als das Niveau mancher Vorwürfe gegen ihn.Die Invektive, es fehle ihm an charakterlicher Eignung, gehört dazu. Bartsch selbst verweist auf die Kritik an seiner angeblichen Illoyalität – dies sei „so ziemlich das Schlimmste“, was man dem Bundesgeschäftsführer einer Partei vorhalten könne. Weiter äußern wollte er sich nicht: „Die Partei muss zur Ruhe kommen.“ Bleibt abzuwarten, ob ihr das tatsächlich gelingt.