SPD.de als Community: Neuland unterm Onlinepflug?

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Pünktlich zu ihrem Sonderparteitag gehen die Sozialdemokraten mit einer runderneuerten Internetseite an den Start. Es soll mehr sein als ein Relaunch, man betrete, heißt es im Willy-Brandt-Haus: Neuland.

Ein Blick zurück. Als die SPD im Januar 2009 einen renovierten Webauftritt präsentierte, blies das Parteimarketing ordentlich die Backen: „Schwelle zum neuen Leitmedium“, „Schlüsselrolle in der politischen Kampagnenführung“, „digitale Dachmarke“, „Rolle als moderne Internetpartei“. Doch der Schritt vom Rot zum Blau, die Ankunft des Würfels und der Multi-Content-Box – all das konnte nicht jeden überzeugen. Und das war keineswegs nur Geschmackssache. Vor allem „die Mitmach-Angebote“ fielen durch. Das allgemeine Internetgetöse im Wahlkampfjahr 2009 überdeckte nicht, dass es mit echter Beteiligung und kritischer Dialogfähigkeit bei den Parteien kaum weit her ist. Frank Patalong meinte damals, „ein wirklich erfolgreicher Polit-Auftritt im Web ist nicht abhängig von Design oder Features. Sondern von der Auffassung, mit der er serviert wird.“

Über die in der SPD-Wahkampfzentrale unter Kajo Wasserhövel vorherrschende konnte man ein paar Monate später im Freitag nachlesen. Über die Partei-Community meineSPD.net zum Beispiel. In der waren seinerzeit knapp 30.000 Genossen und Sympathisanten vernetzt - ein Bruchteil der rund 500.000 Mitglieder. Viel besser sieht das Verhältnis bei anderen Parteien auch nicht aus. Entscheidender im Sinne von Patalongs „Auffassung“ war aber etwas anderes: „Umso erstaunter bin ich“, las man aus Insiderperspektive damals im Freitag, „als ich erfahre, dass Kajo Wasserhövel im ‚Vorwahlkampf‘ im Februar 2009 überlegt, wie er diese Community besser kontrollieren kann, ihre Freiheiten einschränken, damit zum Beispiel unliebsame Forenbeiträge nicht von Spiegel Online als Beweis für parteiinternen Streit zitiert werden können.“

Die Spannung zwischen Kontrollverlust und Web 2.0, zwischen dem Verständnis einer Partei als Sender von Botschaften, die irgendwo da „oben“ in der Hierarchie erfunden werden einerseits, und dem als Plattform der Diskussion und der vertikalen Meinungsbildung andererseits, ist bisher von keiner der im Bundestag vertretenen Partei erfolgreich aufgelöst worden. Man kann sogar die Frage stellen, ob Parteien unter den gegenwärtigen Verhältnissen überhaupt Organisationsformen sind, die das bewältigen können. Die Piratenpartei, die wahrscheinlich die bisher weitgehendsten Schritte in diese Richtung unternommen hat, kann kaum als erfolgreiches Beispiel dienen. Vielleicht ist es so: Parteien funktionieren nur als Hierarchien, und Web 2.0 ist eben genau nicht hierarchisch einzufangen.

Die SPD will es nun noch einmal versuchen. Und der Ansatz klingt durchaus richtig. Nicht mehr wortwolkige Euphorie über die segensreichen Wirkungen des Internets für die Wahlkampfführung von Parteien steht jetzt im Vordergrund - etwas, das immer stark in der alten Sender-Empfänger-Logik verhaftet blieb und weit weniger zündete als viele dachten. Sondern die Auflösung der Partei-Außenwelt-Barriere. Zumindest in der Ankündigung: „Nutzer bekommen unabhängig von der Parteimitgliedschaft die Gelegenheit, Profile einzurichten, Inhalte zu bewerten und Artikel zu kommentieren“, heißt es bei den Sozialdemokraten. Man wolle eine „eine politische Diskussionsplattform und einen Knotenpunkt sozialdemokratischer Diskurse im Netz“ schaffen.

„Wir wollen damit das Versprechen von Dresden einlösen“, sagt Andrea Nahles mit Blick auf den viel beschworenen Neuanfang nach der Wahlniederlage, der sich nicht zuletzt auf die politische Diskussionskultur in der SPD sowie zwischen Partei und Gesellschaft erstrecken sollte. Von „offenem Visier“ war bei der Vorstellung des Relaunchs die Rede. Und gleichzeitig hält die Generalsekretärin die Klinke einer Hintertür in der Hand. Es handele sich um „ein Experiment, das wir da beginnen“. Man wisse schließlich nicht, so Nahles, ob alle Mitglieder einverstanden seien, wenn „auf der Seite Sachen zu lesen wie: Die SPD spinnt“. Und ob die Parteispitze, das wäre zu ergänzen, damit einverstanden ist, wenn sich wortgewaltige Community-Kritik in den Medien wiederfindet, die über Konflikte immer schon lieber berichtet haben als über konstruktive Debatten, bleibt auch offen. Kurzum: Experimente können auch abgebrochen werden.

Erst einmal geht es an diesem Samstag jedoch los: Auf dem Weg weg von der Verlautbarungsplattform steht ein Nachrichtenportal. Eine eigene, zwölfköpfige Redaktion soll die Website mit aktuellem Inhalt füllen, Korrespondenten sollen Nachrichten aus den Regionen zuliefern. „Mehr Themen und neue Formate“, lautet das Motto. Die SPD will im Netz „künftig deutlich mehr als in der Vergangenheit die Partei in allen ihren Facetten und allen Ebenen abbilden“. Man darf gespannt sein, wieviel Freiheit und Parteiunabhängigkeit der Redaktin zugebilligt wird. Immerhin ist das gewissermaßen die Basis, um die herum sich Nutzer mit ihren Profilen scharen, deren Inhalte sie bewerten und kommentieren sollen. Und irgendwann wird dann vielleicht auch jemand die Frage stellen, wo die SPD-Community denn eigentlich politisch steht: Irgendwie links?

auch erschienen auf lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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