SPD sieht "keinen Sinn": Rot-rot-grüne Sondierung gescheitert

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Es hatte sich im Verlauf des Nachmittags bereits angedeutet, kurz vor 19 Uhr wurde es dann zur Nachricht: Rot-Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen ist bereits nach der ersten Sondierung gescheitert. Die ohnehin nicht rosigen Aussichten auf einen Poliitkwechsel haben sich damit früher als erwartet in Luft aufgelöst. Dass SPD, Grüne und Linkspartei im Saal "Passion" des Düsseldorfer Holiday Inns tagten, konnte man getrost als Zeichen nehmen: Nach dem angespannten Vorgeplänkel war nicht zu erwarten, dass das Parteientreffen Ausdruck einer Leidenschaft sein würde – eher ein Termin, der nicht ohne Leiden über die Bühne gehen würde. Und so kam es dann ja auch.







SPD-Landeschefin Hannelore Kraft sagte am frühen Abend nach knapp fünfstündigen Debatten mit Grünen und Linkspartei, „dass es keinen Sinn macht die Sondierungsgespräche fortzusetzen oder in Koalitionsverhandlungen einzutreten”. Die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann schien beinahe erleichtert - obwohl die eigentlichen Wahlsieger nun wohl in die Opposition müssen: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.” Die Verhandlungsgruppen beider Parteien hätten sich nach einem "ernüchternden Gespräch" einstimmig für den Abbruch entschieden.

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Woran lag es? In wichtigen Fragen habe es große Hindernisse für eine Koalition gegeben, hieß es am Abend – unter anderem was den (offenbar von SPD und Grünen als gesetzt angesehenen) Personalabbau im Öffentlichen Dienst angeht. Löhrmann machte geltend, angesichts der Haushaltslage sei eine Konsolidierung nötig, die Linke sei aber nicht einmal bereit gewesen sei, den Wegfall von freiwerdenden Stellen mitzutragen. Die SPD blieb in ersten Reaktionen dagegen bei der bereits im Vorfeld verfolgten Argumentationslinie – und zog die Demokratie- und Verantwortungskarte: “Wir sind in der Einschätzung bestärkt worden, dass die Linke in ihrer jetzigen Verfassung weder regierungs- noch koalitionsfähig ist.”

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag Volker Beck, der an der Sondierung teilnahm, zeigte sich "perplex" und wies darauf hin, dass die Linke "noch nicht mal bereit" gewesen sei, "die Erklärung zum DDR-Unrecht aus Thueringen zu unterschreiben". (Hier findet sich dieses Papier aus dem vergangenen Jahr.) Meldungen, nach denen Vertreter der Linken in der Sondierung die DDR-Geschichte in irgendeiner Weise relativiert haben sollen, wies die Partei strikt zurück. "Wir waren bereit, den Satz zu unterschreiben: Die DDR war eine Diktatur", sagte Landessprecherin Katharina Schwabedissen. Ihr Ko-Vorsitzender Wolfgang Zimmermann vermutete am Abend nicht ohne Grund, die SPD habe mit der Sondierung in Wahrheit das Ziel verfolgt, wieder mit FDP und CDU ins Gespräch zu kommen.

Das Unterfangen wurde am Abend umgehend aufs Korn genommen: Die SPD will die Union für nächste Woche zur Sondierung einladen. Die anhaltenden Rufe aus der CDU wurden also schließlich doch noch erhört. Von Christine Lieberknecht (Thüringen) über Christian Wulff (Niedersachsen) bis zur Jürgen Rüttgers (NRW) wurde die Einladung begrüßt. Ob es aber wirklich zu einer großen Koalition kommt, galt am Abend als sehr fraglich: in der SPD würde Kraft dafür kaum eine Mehrheit finden, hieß es. Deshalb wurde spekuliert, ob nun doch noch einmal das Modell Ampel reaktiviert werde.

In ersten Reaktionen zeigten sich Politiker der Bundeslinken enttäuscht. Parteivize Halina Wawzyniak erklärte, sie sei “traurig”, der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat sagte, die SPD verzichte auf einen Politikwechsel.

Die WAZ, die bereits seit Tagen gegen Rot-Rot-Grün anschrieben, freute sich im schnellsten Kommentar des Abends über das Aus für „dieses überflüssige Sondierungs-Kapitel“ und riet den Sozialdemokraten, sie mögen sich „schleunigst Koalitions-Optionen zuwenden, die mehr Aussicht auf Erfolg, sprich: auf eine solide Regierungsarbeit haben“. Dabei ist die WAZ nicht einmal wählerisch – ob Ampel, Jamaika oder große Koalition, Hauptsache nichts mit der Linken.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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