Unter Beobachtung: Die Linke und der Verfassungsschutz

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Die Linke bleibt im Visier des Verfassungsschutzes, das hat Oberschlapphut Heinz Fromm heute in der Frankfurter Rundschau klargestellt – unter Verweis auf den „gesetzlichen Beobachtungsauftrag“ und die „offen extremistischen Zusammenschlüsse“ der Partei. Dazu zählt der politische Inlandsgeheimdienst unter anderem die Kommunistische Plattform, die Sozialistische Linke, den Geraer Dialog und das Marxistische Forum – also die Mehrzahl der politisch relevanten Strömungen in der Linkspartei. Das Interview mit dem Verfassungsschutz-Präsidenten ist auch deshalb bemerkenswert, weil es eine Art staatsbürgerkundliches Resozialisierungsangebot enthält. Es bleibe abzuwarten, so Fromm, „wie sich die Haltung der Partei gegenüber diesen Zusammenschlüssen entwickelt und wie die derzeitige Programmdiskussion ausgeht.“ Man kann es so verstehen: Wenn die Linke mit ihrem innerparteilichen Pluralismus bricht und das Programm entschärft, wird auch die Beobachtung eingestellt.

In vielen Bundesländern sieht man übrigens bei der Linkspartei längst keinen „gesetzlichen Beobachtungsauftrag“ mehr – und zwar unabhängig davon, ob dort Strömungen aktiv sind, die Fromm und Co. für „offen extremistisch“ halten. Das Saarland und Bremen haben die Beobachtung der Partei 2008 eingestellt, Rheinland-Pfalz zog im vergangenen März nach. Im Osten gilt das Interesse des Verfassungsschutzes wenn überhaupt dann einzelnen Strömungen.

Nun könnte man sagen: Die Überwachung einer Partei, die den Verfassungsschutz abschaffen will, ist – gewissermaßen als Revanchefoul – nicht ganz überraschend. Aber will die Linke das denn überhaupt? Das ist gar nicht so einfach zu sagen: Im aktuellen Programmentwurf ist lediglich von einer demokratischen Kontrolle die Rede. In den derzeit gültigen Eckpunkten werden „unabhängige Kontrollinstanzen“ sowie eine strikten Trennung von Polizei und Geheimdiensten gefordert. Man erinnert sich zudem an eine kleine Diskussion, die vor zwei Jahren ausgelöst wurde, nachdem der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic einen Gesetzentwurf zur „Reform der Kontrolle der Nachrichtendienste“ vorgelegt hatte – in dem die Forderung nach Abschaffung in der Zukunft fehlte. Dagegen hatte bereits zum Cottbusser Parteitag eine strömungsübergreifende Gruppe von Innenpolitikern in die andere Richtung plädiert: „Geheimdienste, zumal innerstaatliche, sind immer ein Instrument der politisch Herrschenden zur Unterdrückung von Andersdenkenden. Deshalb haben Geheimdienste in einer Demokratie nichts zu suchen und gehören abgeschafft.“ Eine der Einreicherinnen war übrigens Ulla Jelpke, die mit ihrem Grußwort an ein Treffen früherer Mitarbeiter der HVA der Staatssicherheit gerade erst für Schlagzeilen gesorgt hat, ihren Beitrag allerdings als Kritik an der „Ungleichbehandlung von Aufklärern der DDR und BRD“ verstanden wissen will.

Die NRW-Linke, die eine „Auflösung“ des Landesamtes zumindest in ihrem ersten Wahlprogramm forderte, ist später davon abgerückt, dies als kurzfristiges Ziel zur Bedingung rot-rot-grüner Verhandlungen in Düsseldorf zu machen. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Bericht des NRW-Linken und Ex-Grünen Rüdiger Sagel über die geplatzten Sondierungsgespräche: Nach zwei Stunden DDR-Debatte kam man am vergangenen Donnerstag im Holiday Inn auf das Thema zu sprechen: „Nachdem die Linke erklärt hatte, dass wir den Verfassungsschutz in NRW nicht sofort abschaffen wollten, dass dies zwar in unseren Programm stehe und wir auch grundsätzlich daran festhalten, aber dies mit SPD und Grünen wohl nicht in dieser Legislaturperiode machbar sei, wurden auch da trotzdem ‘künstlich’ Probleme inszeniert. Ob wir denn bereit seien, im Landeshaushalt eine Grundausstattung für den Verfassungsschutz zu finanzieren? Wir haben das bejaht, aber dass man doch trotzdem eine stärkerer demokratische Kontrolle gewährleisten solle und man sich auch mit dem Personalumfang beschäftigen solle und was die dort beim Verfassungsschutz, zum Beispiel V-Leute, so machen. Dies wurde dann sogleich als Kritik an SPD und Grünen und ihrer bisherigen Arbeit hochstilisiert. Zudem wurde, da wir die Personalfrage zumindest erörtern wollten, uns das Ganze als ‘Abschaffung auf kaltem Wege’ untergejubelt.“

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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