Unter keinen Umständen

FDP Die Erben Westerwelles werden einsehen müssen, dass die FDP, die immer am lautesten nach Reformen gerufen hat, selbst gar nicht reformierbar ist

Der Kampf um die Zukunft der FDP hatte begonnen, als das Ergebnis der Landtagswahlen vom Sonntag noch gar nicht bekannt war. Eine Stunde vor Schließung der Wahllokale meldeten Nachrichtenagenturen, aus dem Umfeld Guido Westerwelles heiße es, der Parteichef werde „unter keinen Umständen“ zurücktreten.

Nur sind die Umstände, die der Chefliberale vorwegnahm, um sich abzusichern, nicht erst in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eingetreten. Sie sind mit dem Regierungsverlust von Stuttgart und dem Gang in die Mainzer Opposition bloß ergänzt worden. Gerade erst ist die Partei in Sachsen-Anhalt aus dem Landtag geflogen, in Umfragen kämpft sie bundesweit mit der Fünfprozent-Hürde. Die Krise der Partei ist die Krise einer plumpen Form des organisierten Neoliberalismus, die mit dem Regierungseintritt 2009 begann und sich fortan verschärfte: Hotellobbyismus, Steuerpolitik, anstrengungs­loser Wohlstand. Aus der Spekulationsblase FDP entweicht seit Monaten schon mit hellem Quietschen die heiße Luft.

Zu den Geräuschen, die dabei auch entstehen, gehört – wie im Parteigeschäft üblich – eine hektische Personaldebatte. Dem Trio Westerwelle, Homburger und Brüderle, das die „Regierungspartei“ FDP in den letzten Wochen repräsentierte, steht eine wachsende Front ­liberaler Kritiker gegenüber. Von Kronprinz Christian Lindner über Gesundheitsminister Philipp Rösler und Justizressortchefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die zuletzt in Deckung gegangen waren, bis zu Altliberalen wie Wolfgang Gerhardt, der noch eine Rechnung mit Westerwelle offen hat, wird jetzt immer wieder eines gefordert: der inhaltliche und personelle Neuanfang.

"Existenzielle" Krise

Das eine hängt mit dem anderen eng zusammen – und deshalb sind die Planspiele, wer im Mai auf dem FDP-Parteitag und in der Regierung auf welchen Posten geraten könnte, bloß oberflächliches Kräuseln. Die Krise der FDP ist „existenziell“, da hat Gerhardt völlig recht. Von einer „Inventur“ ist die Rede, davon, die Ideen und die innere Philosophie der Liberalen neu zu bestimmen.

Die Alternativen zum Modell marktradikaler Klientelismus und besitzbürgerliche Interessenpolitik sind jedoch begrenzt, die anderen Plätze auf dem Feld der politischen Repräsentation schon besetzt. Lindners Vorstoß zur Abschaltung von Atomkraftwerken wird keinen neugrünen Wähler zurückholen, die Forderung von Leutheusser-Schnarrenberger, die bürgerrechtliche Seite der FDP zu reanimieren, niemanden mehr überzeugen. Blieben noch die zaghaften Versuche, an eine ­sozialliberale Tradition anzuknüpfen, die in Wahrheit bloß eine bündnispolitische Maskierung war. Oder das Ausweichen in den gebremsten Rechts­populismus. Doch alles, was die FDP nun anbieten könnte, um zu zeigen, dass sie nicht nur „Steuersenkungspartei“ (Gerhardt) und „der Liberalismus notwendig ist in Deutschland“ (Leutheusser-Schnarrenberger), machen Union, SPD und Grüne längst viel besser.

So werden die Erben Westerwelles einsehen müssen, dass die FDP, die immer am lautesten nach Reformen gerufen hat, selbst gar nicht reformierbar ist. Um es mit dem Noch-Parteichef zu sagen: „unter keinen Umständen“. Das muss nicht das Ende der FDP sein. Aber sie wird nach einem Neuanfang nur die alte sein können.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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