Völlig uninteressant? Bahr, Höppner, die SPD und die Linke

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Wenn vor zwei Jahren ein Buch in Berlin vorgestellt worden wäre, in dem Egon Bahr und Reinhard Höppner Auskunft über ihre Sicht auf das Verhältnis von SPD und Linkspartei geben, hätte man mit einem großen Medienauflauf rechnen dürfen. Heutzutage verlieren sich ein paar Kollegen unter wenigen Dutzend Zuhörern im Willy-Brandt-Haus, das Thema scheint irgendwie „durch“. Man kann das für einen Ausdruck der Normalisierung nach Jahren einer parteipolitischen Nicht-Beziehung halten, die regelmäßig zu „Panikreaktionen“ nicht nur auf SPD-Seite, sondern auch in den Medien führte. Andererseits ist eine Sache nicht schon deshalb ausgestanden, weil sich die Presse nur noch mäßig dafür interessiert. Im Gegenteil, eigentlich wird es ja jetzt, wo man etwas unaufgeregter über Politik reden kann, erst interessant. Vor manchen alten Reflexen schützt das freilich auch Leute wie Bahr und Höppner nicht.

Die SPD und die Linke. Einsichten aus West und Ost heißt das Buch, mit dem der große alte Mann der Ostpolitik und der einstige SPD-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt einen Beitrag zur, nun ja: Entspannungspolitik leisten wollen. Über weite Strecken stimmt wohl auch, was Andrea Nahles darüber sagt, dass nämlich den Sozialdemokraten so mancher Ärger erspart geblieben wäre, wenn die Diskussion über das Verhältnis der beiden Parteien, ein „für die SPD medial schwieriges Pflaster“, schon immer „so klug und differenziert geführt worden wäre“. Etwa, wenn die beiden darüber nachdenken, warum man sich die Frage, mit wem die Sozialdemokraten koalieren dürfen, von der Union habe beantworten lassen. Oder es um geschichtspolitische Heuchelei geht. Auch eine Kooperation mit der Linken wird von beiden vergleichsweise vernünftig beurteilt, auf Landesebene jedenfalls. Und die Liste von Fragen, bei denen SPD und Linke „in die gleiche Richtung denken“, gerät bei Höppner weder besonders kurz, noch spart sie Unterschiede aus.

„Gemeinsamkeiten nicht aus wahltaktischen oder anderen Gründen unter den Teppich kehren“, formuliert es Nahles. „Und Unterschiede klar benennen.“ Das ist auf eine Weise banal und doch im Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei immer noch ein wenig erstaunlich. Als einen der Knackpunkte formulieren Nahles, Bahr und Höppner die Außenpolitik – und auch das wäre nicht besonders neu, wenn das Trio nicht zugleich darauf herumreiten würde, dass dies die zentrale Differenz ist, die einem Regierungsbündnis 2013 im Wege steht. Am Ende des Buches, ausgerechnet in einer sonst eher belanglosen Aufzählung von „Wünschen an unsere Partei“, steht die Formel, die Bahr und Höppner der Linken zur Bedingung machen und ausgerechnet ist es das Zitat eines US-Präsidenten: „Wer den Status quo ändern will, muss ihn anerkennen.“

Ob Nahles Einführung, in der sie darauf Wert legt, dass sich die Politik der SPD gegenüber der Linken unter „Sigmar Gabriel und mir“ verändert habe, noch als Wink aus dem Machtzentrum der Sozialdemokratie interpretiert werden kann, sei einmal dahingestellt. Die Generalsekretärin hatte auch schon einen besseren Stand in der Partei. Aber dass die SPD mit zwei Politikern auf die Debatten in der Linken Einfluss zu nehmen versucht, die in der Partei auf recht breite Akzeptanz stoßen, kann man schon mit einer gewissen Aufmerksamkeit betrachten – auch wenn das Trio am Montagabend nicht müde wird zu betonen, dass die „Frage ihrer Regierungsfähigkeit“ nur und allein die Linke selbst beantworten könne.

Diese bisweilen immer noch gouvernantenhaft wirkende Positur, die für sich in Anspruch nimmt, allein die Konditionen zu bestimmen, was richtig und notwendig ist, klingt ein wenig nach den alten Zeiten, als die SPD noch das uneingeschränkte Kraftzentrum einer (und wenn auch nur theoretischen) rot-rot-grünen Option war. Ein bisschen kommt sogar die Angst durch, dass es von der Kompromissbereitschaft der Linkspartei abhängt, ob die SPD noch eine machtpolitische Perspektive im Bund hat, die jenseits der Juniorpartnerschaft in der Großen Koalition liegt. 2012, so formuliert es Bahr mit Blick auf die Programmdebatte der Linken, sei „der letzte Punkt“ erreicht: Habe sich die Linke bis dahin nicht zu den „unverzichtbaren Eckpunkten der Außen- und Sicherheitspolitik“ bekannt, werde sich das Fenster der Möglichkeit schließen. Solange, sagt der Architekt der Entspannungspolitik dann noch, sei „die Linke für uns völlig uninteressant“. Aber würde man, wenn das stimmt, Bücher darüber schreiben?

Egon Bahr und Reinhard Höppner: Die SPD und die Linke. Einsichten aus West und Ost, Vorwärts Verlag 2010, 112 Seiten, 10 Euro.

Startseitenfoto: Vorwärts

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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