Vom Zaun gebrochen: Die Linke in Rheinland-Pfalz und die Wahlen 2011

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Vor ein paar Tagen hatte Kurt Beck prognostiziert, die Linke werde es

in Rheinland-Pfalz wohl nicht schaffen, in den Landtag einzuziehen. Ein Sozialdemokrat muss so etwas sagen, es steckt aber auch ein Körnchen Wahrheit darin, oder besser: ein Brocken Realität. Der Landesverband ist heillos zerstritten. Statt mit politischen Forderungen macht die Partei vor allem mit gegenseitigen Attacken auf sich aufmerksam.

„Die Selbstdemontage der Partei Die Linke geht weiter“, so begann die Rheinpfalz unlängst einen der vielen Berichte über die andauernden Streitigkeiten im Landesverband. Das werden die Beteiligten nicht so sehen, aus ihrer jeweiligen Binnenperspektive geht es schließlich um hehre Ziele, um Fragen der innerparteilichen Demokratie, um Ehrlichkeit und um die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Landtagswahlkampf. Doch was interessiert die rund 3,1 Millionen Wahlberechtigten? Derzeit steht die Linke in Umfragen bei fünf Prozent, über die politischen Gründe, ihr im kommenden Frühjahr zum Einzug in den Landtag zu verhelfen, lesen die Rheinland-Pfälzer derzeit nichts. Dafür über immer neueste Wendungen im Streit der Fraktionen.

Die „Selbsthinrichtung“, die dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten „viel Freude“ macht, besorgt inzwischen aber immer mehr die linken Reihen. Die Bundesspitze bat um Mäßigung, ein Schlichter wurde entsandt, Krisentreffen abgehalten. Nun hat auch die Sozialistische Linke – eine der im Westen einflussreichen Strömungen – den Landesverband davor gewarnt, den möglichen Wahlerfolg im kommenden März zu gefährden. Ein Scheitern an der Fünfprozent-Hürde, heißt es in einem mit der Aufforderung „Macht Politik“ überschriebenen Papier, „würde unsere Partei einer großen Belastung aussetzen“.

Man appelliere an „alle Kräfte“ und wünsche sich, dass die rheinland-pfälzische Linke „die Chance eines gemeinsamen Wahlkampfes“ auch für den Einstieg in eine „personelle Erneuerung“ nutzt. Politische Arbeit dürfe nicht länger „durch personelle Querelen erstickt“ werden. Die Sozialistische Linke weist eigens darauf hin, dass die seit Wochen schwelenden Auseinandersetzungen „ihre Ursache nicht im Konflikt verschiedener Strömungen“ haben. Eine Reihe von SL-Mitgliedern sind im derzeitigen Landesvorstand vertreten - und dabei auch mehr oder weniger Teil der innerparteilichen Auseinandersetzungen.

Über deren Lösung gibt es unterschiedliche Ansichten. Der Kreis um die Landesvorsitzende Kathrin Senger-Schäfer und Vize Katrin Werner spricht von „Brücken bauen“, wobei unklar bleibt, wohin diese führen und wer darüber gehen soll. Aus dem Lager des aus Ärger über die Besetzung der Landesliste und eine wachsende “Politikunfähigkeit” zurückgetretenen Landeschefs Alexander Ulrich wird auf eine Urabstimmung vor dem Parteitag im November gedrängt, die einerseits einer weit reichenden Regelung zur Trennung von Amt und Mandat den Boden bereiten und mit der andererseits die Neuwahl der Landesliste erreicht werden soll. Die Sozialistische Linke lehnt dies ab: „Wir haben Verständnis für die Enttäuschung einzelner Mitglieder über die regionale Zusammensetzung der Wahlliste. Die demokratische Entscheidung des Landesparteitages ist jedoch zu respektieren.“ Und weiter: „Eine Urabstimmung über die Trennung von Amt und Mandat in der heißen Wahlkampfphase lehnen wir ab. Es ist nicht einsichtig, warum Akteure, die kürzlich selbst noch Amt und Mandat auf sich vereinigten, nun eine solche Debatte vom Zaun brechen.“

Es dürfte nicht so leicht sein, die einmal begonnene Diskussion wieder stoppen. Gleiches gilt für die anderen Feuer und Schwelbrände in Rheinland-Pfalz – etwa den Streit um den Spitzenkandidaten Robert Drumm (mehr), die mindestens unglücklich verlaufene Kommunikation über die „Karteileichen“ (mehr), die Ausschlussverfahren gegen Ulrich und andere (mehr), die diversen Konflikte auf Kreisebene. Kurt Beck freut sich derweil, denn was die Linke nicht selbst schafft, müsste der Sozialdemokrat seinem eigenen Anspruch nach sonst selbst erreichen: Die Partei aus dem Landtag herauszuhalten. Die SPD könnte nach den spärlichen Umfragen in diesem Fall wohl auf eine rot-grüne Mehrheit bauen. Kommt die Linkspartei in den Landtag, dürfte auch in Rheinland-Pfalz jene Darf-man-mit-der-Linken?-Debatte beginnen, die man aus anderen Bundesländern schon zur Genüge kennt.

auch erschienen auf lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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