Man konnte es auch noch fünfzehn Minuten vor Schließung der Wahllokale hören: Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen sei weder regierungsfähig noch koalitionswillig. Es war nicht die Konkurrenz, die da im Fernsehsender Phoenix noch einmal die Gebetsmühle drehte. Sondern ein Politikwissenschaftler, eingeladen als unabhängiger Experte. Die Episode vom Wahlsonntag illustriert, welchen Wert der Einzug der Linken in den Düsseldorfer Landtag wirklich hat: Die Partei musste sich gegen eine übergroße Koalition aus Parteien und Öffentlichkeit behaupten.
Wenn CDU und FDP ihr Heil in einem bisweilen lächerlich wirkenden Antikommunismus suchten, dann sagte das vor allem etwas über ihre – wie sich nun zeigt – berechtige Sorge aus, am Wahltag für Landes- und Bundespolitik abgestraft zu werden. Allen Ernstes behauptete man, mit der Linkspartei an der Regierung würde die „sozialistische Planwirtschaft“ eingeführt, jedes Kind könne „Haschisch im Supermarkt kaufen“ und die Leute „hätten dann nur noch einen Tarifvertrag und ein Einheitshandy“. Ein Anti-Wahlkampf, der auf das Ressentiment setzte, das eigene Klientel mobilisieren und vor allem die Sozialdemokraten treffen sollte. Und Hannelore Kraft tappte dann ja auch mit mindestens einem Bein in die Ypsilanti-Falle.
Bei großer inhaltlicher Übereinstimmung in landespolitischen Fragen und trotz der Aussicht auf ein gemeinsames bundespolitisches Signal gegen Schwarz-Gelb verlegten sich die Sozialdemokraten auf einen Anti-Wahlkampf bar jeder inhaltlichen Auseinandersetzung. Nicht die Vorstellungen der Linken, zu der neben den Zielen immer auch die Kompromissbereitschaft zählt, wurde zum Argument, sondern das angebliche Betragen einer Partei. Kraft und Co. plapperten nach, was ihnen die veröffentlichte Meinung soufflierte. Am Ende wusste auch Sigmar Gabriel das Schauermärchen von den verstaatlichten Pommesbuden zu erzählen.
Der SPD-Chef hätte sich stattdessen einmal eine nahe liegende Frage stellen sollen: Warum erheben es die Sozialdemokraten zum erklärten Ziel, eine Partei aus dem Landtag herauszuhalten, die in wichtigen Fragen wie dem Mindestlohn, der Bürgerversicherung, der Schulreform, des Atomausstiegs, der Regulierung der Finanzmärkte und und und ein Bündnispartner sein könnte. Und warum gab es eine ähnliche Kampagne nicht gegen die Steuersenkungsirren von der FDP? Nun stellen sich die Sozialdemokraten als Sieger dar – eine Partei, die noch einmal Prozente verloren hat.
Wie es in Nordrhein-Westfalen weitergeht, werden erst die nächsten Tage zeigen. Ob die Linke die Gelegenheit erhält, sich politisch in die Koalitionsbildung einzumischen, bleibt zunächst offen. Ihr Bundesgeschäftsführer hat am Sonntagabend von einem „grandiosen Tag“ und einem „großen Sieg“ gesprochen. Dietmar Bartsch war die besondere Freude anzumerken – der oberste Wahlkampfmanager wird sein Amt mit beachtlicher Bilanz verlassen. Die Linke ist heute in 13 Landtagen vertreten, sie ist im Westen etabliert. Nach den heftigen Streitereien der vergangenen Monate sorgt das für Ruhe vor dem Parteitag in Rostock. Dort wird die Partei am kommenden Wochenende nicht nur einen kompletten Führungswechsel vollziehen, sondern auch ihre Gründungsphase abschließen. Begonnen hatte diese Geschichte vor fünf Jahren – nach einer Wahl in Nordrhein-Westfalen.
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