Von wegen Quote: Eine Enquete, 17 Männer und ein Offener Brief

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Während man sich in Berlin noch fragt, ob das jüngste Aufflammen der (ohnehin windschiefen) Debatte um die Frauenquote in Führungsetagen der Wirtschaft mit Angela Merkels Eingeständnis, so etwas lasse sich gegens Kapital ja sowieso nicht durchsetzen, bereits wieder erloschen ist, gibt der Bundestag ein parteiübergreifendes Beispiel von der Ehrlichkeit der Diskussion:

Im Dezember hatte des Parlament eine Enquete-Kommission eingesetzt, die sich der Zukunft eines nachhaltigen Wachstums widmen und alternative Methoden zur politisch so wichtigen Messung von Fortschritt vorschlagen soll. Die Enquete hat sich inzwischen konstituiert und auch die 17 Sachverständigen berufen, die das Gremium auf die wissenschaftliche Höhe der Zeit führen sollen – allein: Es ist nicht eine einzige Frau darunter.

Über 160 ProfessorInnen, ExpertInnen und VertreterInnen von Forschungseinrichtungen haben sich jetzt in einem Offenen Brief an den Bundestagspräsidenten, die Fraktionsvorsitzenden und die Enquete-Leiterin gewandt. Die Unterzeichner – keineswegs nur Frauen – zeigen sich über das geschlechterpolitische Armutszeugnis „irritiert“ und verwiesen darauf, dass die Frage nach wahrem Wohlstand und nachhaltiger Lebensqualität „eng mit dem Wandel der Geschlechterverhältnisse und damit verbundenen Themen, wie etwa dem Arbeitsbegriff oder auch dem Verhältnis zwischen Arbeit und Leben verknüpft ist“. Norbert Lammert und Kollegen werden außerdem „nachdrücklich“ aufgefordert, dafür zu sorgen, dass „dieses Gremium nachträglich mit mindestens einem Drittel Wissenschaftlerinnen“ besetzt wird. Sollte keiner der bisher berufenen Experten freiwillig zurücktreten, sollte die Schar der Sachverständigen „um mindestens vier neue weibliche Mitglieder“ erweitert werden.

Der Offene Brief, der aus einer Tagung der Forschungs- und Kooperationsstelle GendA in Marburg hervorgegangen ist, legt eine ebenso große wie – vor dem Hintergrund der angeblichen Quotenbegeisterung – peinliche Schwachstelle im politischen Betrieb offen. Man wird nicht besonders optimistisch sein dürfen, dass das Schreiben mehr Folgen hat als die jüngste Quoten-Gymnastik der Parteien.


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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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