Vorwärts und vergessen

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Um die SPD steht es nicht besonders gut. Die Partei klebt unterhalb der 25-Prozent-Marke, was auch immer ihr Personal versucht. Und man muss sagen: Es wird alles versucht, selbst miese Tricks. Das sozialdemokratische Zentralorgan Vorwärts zum Beispiel hat in seiner aktuellen Printausgabe einen Aufruf veröffentlicht, in dem unter der Überschrift „Den Richtigen wählen!“ 20 Prominente von der Schauspielerin bis zum Bankvorstand „Unterstützung für Frank-Walter Steinmeier uns seinen Deutschlandplan“ erklären. Denkste! Denn gefragt wurde zumindest ein Teil der Genannten nicht, Zitate wurden einfach aus Interviews oder der Presse entnommen. Unter anderem SAP-Chef Leo Apotheker ließ bereits dementieren, eine „Wahlempfehlung“ zugunsten der SPD und ihrem Kandidaten abgegeben zu haben. Auf der Vorwärts-Hompage hat sich Chefredakteur Uwe-Carsten Heye inzwischen zwar entschuldigt und den Fall auf ein redaktionelles Missverständnis geführt: Man habe vergessen, Einverständnis für die Zitate einzuholen. Die Konkurrenz wird sich diese Steilvorlage kaum entgehen lassen. Die Linkspartei sprach bereits von „dreisten Methoden“ und konnte ihr Frohlocken kaum verbergen. Vor allem die unfreiwillig ins sozialdemokratische Wahlkampfboot geholten Gewerkschafter Michael Sommer (DGB), Berthold Huber (IG-Metall) und Hubertus Schmoldt (IG BCE) sind empört. Eine Sprecherin des Dachverbandes sprach in der Hannoverschen Allgemeinen von einer „nicht hinzunehmenden Grenzüberschreitung“. Sommer wehrte sich gegen die „völlig unzulässige Vereinnahmung meiner Person und meiner öffentlichen Warnung“ vor Schwarz-Gelb. Nun war es andererseits schwer, die bisherigen Äußerungen der DGB-Gewerkschaften zur Wahl nicht als indirekte Wahlempfehlung zugunsten der SPD zu verstehen – „Neutralitätspflicht“ hin oder her. Die IG BCE hat sich sogar deutlich gegen die Linkspartei ausgesprochen. Angesichts des Wettlaufs zwischen SPD und Linken um die Unterstützung von Gewerkschaftern, in dem die Lafontaine-Partei in dieser Woche erst wieder mit der Bekanntgabe von 1.600 Unterstützer-Unterschriften in Führung ging, könnte sich die als Plakat aufgemachte Vorwärts-Aktion als Bumerang erweisen. In der selben Vorwärts-Ausgabe behauptet Steinmeier: „Sieben Stimmen mehr sind nicht schwer!“ Sieben Stimmen weniger für die SPD angesichts solcher Wahlkampfpatzer allerdings auch nicht.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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