Wagenknecht und Lafontaine: das Private als Politisches

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Das ist nun einerseits nicht die allergrößte Überraschung – und andererseits aber doch ein ziemlicher „Paukenschlag bei der Linken“, wie es die Bild-Zeitung formuliert: Oskar Lafontaine hat Sahra Wagenknecht bei einem Landesparteitag der Linken im Saarland als seine Freundin öffentlich vorgestellt. „Ihr wundert euch bestimmt, warum Sahra hier ist“, sagte der 68-Jährige gegen Ende seiner Rede und gab die Antwort gleich selbst: „Ich lebe seit einiger Zeit getrennt und bin seit einiger Zeit mit Sahra eng befreundet“. Damit sei alles gesagt, und trotzdem werden jetzt viele Fragen haben. Zum Beispiel was mit Christa Müller, der dritten Ehefrau Lafontaines ist. Und was mit Ralph-Thomas Niemeyer, dem in Irland lebenden Ehemann von Wagenknecht. (Man kann Letzteres übrigens hier nachlesen.)

Hat es uns überhaupt zu interessieren? Es ist einerseits in der Tat die Angelegenheit von zwei Leuten, die sich gewissermaßen beim Job kennengelernt haben. Aber das Private war andererseits auf der Linken immer als politisch markiert, zudem haben Zeitpunkt und Ort der Offenbarung ihre politische Note: auf einem Landesparteitag im Saarland, also „zu Hause“ bei Lafontaine; kurz nach Wagenknechts Wahl zur Fraktionsvize, die in dem offiziellen Wissen der Partnerschaft mit Lafontaine vielleicht anders ausgegangen wäre; nach dem Programmparteitag aber lange vor der Wahl des neuen Parteivorstandes, und alles mitten in einer Art Medienoffensive Wagenknechts, die sich öffentlich neu positioniert. Auch feuilletonistisch hält die Nachricht einiges bereit – über die "Erotik der Macht", über Verhältnisse zwischen relativ alten Männern und deutlich jüngeren Frauen in der Politik ist auch schon viel geschrieben worden, von Michelle Müntefering bis Maike Kohl-Richter. Und schließlich denkt man an eine sozusagen retrospektive innerparteiliche Dimension: Die Frage, wer Gerüchte über eine mögliche Affäre von Wagenknecht und Lafontaine dem Spiegel verraten haben könnte, war von großem Interesse während des als Machtkampf bezeichneten Konflikts, an dessen Ende Dietmar Bartsch degradiert wurde.

Immerhin: Lafontaine und Wagenknecht haben es selbst in die Hand genommen, ihre Beziehung zu einer öffentlichen zu machen. Die Zeitung, die vom Paukenschlag schreibt, hätte daraus sicher schon bald eine große Enthüllung aus dem schon lange Geraunten gemacht.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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