Wegen ein paar Maultaschen

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Brotaufstrich für zehn Cent, Pfandbons in Höhe von 1,36 Euro, Frikadelle vom Chef-Buffet – Kündigungen wegen Bagatellen, ausgesprochen auf Verdacht, haben in den vergangenen Monaten immer mal wieder für kurze Aufregung gesorgt. Im Fall der Kaisers-Kassiererin Emmely geißelte sogar Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse die Bestätigung des Rausschmisses durch das Landesarbeitsgericht in Berlin als „ein barbarisches Urteil von asozialer Qualität“. Talkshows befassten sich mit dem Thema, Zeigefinger-Kommentare erschienen in den Zeitungen, Listen der „dreistesten Kündigungen“ wurden veröffentlicht – aber irgendwann war das Thema dann „durch“. Die Gewerkschaften und eine Initiative forderten vergeblich die Abschaffung von Bagatellkündigungen. Nun hat das Arbeitsgericht Radoffzell den nächsten Fall für rechtens erklärt. Eine Altenpflegerin hatte einige Maultauschen aus dem Heim mitgenommen und wurde dafür nach 17 Jahren im Betrieb fristlos gekündigt. Das Gericht machte keine Anstalten, aus dem fragwürdigen Rahmen der bisherigen Rechtsprechung auszubrechen und stellte klar, dass „die rechtswidrige und vorsätzliche Verletzung des Eigentums oder Vermögens des Arbeitgebers auch dann, wenn die Sachen nur geringen Wert besitzen, als wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung an sich für geeignet erachtet“ werden könne. Abgewogen hat Justitia angeblich auch, die Waage neigte sich wie so oft in Richtung Bosse: „Die lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin und ihr Alter sowie die mit der Kündigung verbundene soziale Härte wurden ebenso gewürdigt wie der Vertrauensverlust auf Seiten des Arbeitgebers und die Präventivfunktion einer Kündigung.“ Was wäre, wenn die Leute den Spieß eimal umdrehten und ihren Chefs massenhaft das Vertrauen entziehen würden: für Euch arbeiten? Das würde präventiv sicher besser wirken als alle das Unrecht beklagende Kommentare dieser Welt.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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