Die Abwrackprämie hat großen Charme. Denn was immer man zu ihr meint, irgendwie hat man Recht: Selbstverständlich rettet der Bonus erst einmal Arbeitsplätze, wofür sich die Koalition jetzt auf die Schultern klopft. Aber dann könnte doch jeder kommen, wissen die Liberalen, und das stimmt ja auch. Der Umwelt bringt das Ganze wenig, solange es keine Vorschriften für die Neuanschaffungen gibt, kritisieren die Grünen - wer wollte dem widersprechen? Und, ja liebe Linkspartei, wenn Hartz-IV-Empfänger weiter ausgeschlossen bleiben, ist das alles auch noch äußerst ungerecht.
Vor allem aber blockiert die Prämie den Umbau einer Industrie, und das ausgerechnet in einer Zeit, in der wenigstens eine kleine Chance bestehen, dass Beschäftigte und Gesellschaft darauf politisch Einfluss nehmen können.
Etwa 750.000 Menschen arbeiten bei Herstellern und Zulieferern in der Autobranche. Rechnet man unmittelbar damit zusammenhängende Arbeitsplätze noch dazu, kommt man auf etwa zwei Millionen. Ihre Branche steckt tief in der Krise. Auf rund 20 bis 30 Prozent werden die Überkapazitäten geschätzt. Die Abwrackprämie trägt zu deren Abbau kaum bei. Denn 70 Prozent der hiesigen Produktion werden im Ausland verkauft, wo die Nachfrage eingebrochen ist. Das hat etwas mit der momentanen Konjunkturkrise zu tun, aber nicht nur. Im nächsten Aufschwung wird der dann wieder steigende Ölpreis erneut auf die Verkaufszahlen drücken. Hoffnungen auf „ökologische“ Autos mit Hybrid- und Elektroantrieb könnten ebenso enttäuscht werden: Auch dafür sind knapper werdende Rohstoffe nötig und Strom, dessen Erzeugung Umweltschäden produziert. Abgesehen von anderen Folgen des Individual-Automobilismus - Zersiedelung, Verkehrstote, Flächenverbrauch.
Wie also weiter? Die IG Metall hat in dieser Woche auf einer Konferenz einen Branchenrat Automobile Zukunft vorgeschlagen. Darin sollen Gewerkschaften, Unternehmen und Industrieverbände „vorausschauend Entwicklungswege“ für den Sektor gestalten. Glaubt die IG Metall wirklich daran? Warum soll nun anders werden, was seit Jahrzehnten falsch läuft. Bekannt sind die Probleme ja nicht erst seit ein paar Monaten.
„Wenn die Beschäftigung in der Automobil- und Zulieferindustrie aus umwelt- und verkehrspolitischen Gründen nicht weiter ausgedehnt, sondern nur stabilisiert werden kann oder im Trend zurückgeht, dann muss über neue Beschäftigungsperspektiven nachgedacht werden.“ So stand es bereits 1990 in einem Papier des IG-Metall-Vorstandes. Mit der Krise von 1992/1993 brach die Zahl der Mitarbeiter in der Branche dann tatsächlich massiv ein - um seither wieder stark ausgebaut zu werden. Die jährliche Inlandsproduktion von PKW durch deutsche Hersteller stieg seit 1990 um über 1,3 Millionen auf rund sechs Millionen Autos im vergangenen Jahr. Gibt es dafür etwa gute umwelt- und verkehrspolitische Gründe?
Dabei ist das Potenzial für ein Umsteuern in der Autoindustrie durchaus vorhanden. Die Pläne für ökologisch sinnvolle Produkte wie etwa Blockheizkraftwerke liegen schon in den Schubladen mancher Forschungsabteilung. Ein Umstieg bis zur Serienproduktion müsste keineswegs lange dauern, und Geld sollte nach den sehr profitablen Jahren der Vergangenheit auch zur Verfügung stehen. Das hohe Qualifizierungsniveau der Beschäftigten in der Branche gilt als günstige Ausgangsposition für einen Kurswechsel. Und sogar Bernd Osterloh, der Betriebsratsvorsitzende von Volkswagen, mahnte vor ein paar Monaten, der Konzern solle sich „unabhängiger von der Autoproduktion“ machen.
Durch die Abwrackbonus wird eine Umkehr nur gebremst. Das sieht man inzwischen selbst bei der Gewerkschaft so, die noch im November 2008 bei Vizekanzler Steinmeier für Idee der „Umweltprämie“ geworben hatte. Später hatte sich der Vorsitzende Berthold Huber darüber gefreut, „dass die Bundesregierung einen Vorschlag der IG Metall schnell in die Tat umgesetzt hat“. Nun reagiert man auf die Verlängerung mit einem „Ja, aber“ und steckt im Dilemma: Einerseits stützt die Abwrackprämie zwar die Inlandsnachfrage nach Autos und rettet damit vorübergehend Arbeitsplätze, andererseits trägt das Wahlkampfgeschenk keineswegs zur Bewältigung der Strukturkrise der Branche bei - im Gegenteil. Man habe, sagt Berthold Huber, „Zeit gewonnen, mehr nicht“. Aber Zeit für wen?
Der von der IG Metall vorgeschlagene Branchenrat aus Regierung, Unternehmen und Gewerkschaftsspitze klingt eher nach einem sektoralen Bündnis für Arbeit, in dem alle das gemeinsame Interesse haben, doch lieber weiterzumachen wie bisher. Mal ehrlich: Wie viel sozial-ökologischer Umbau wäre denn in dieser Runde durchsetzbar?
Wenn schon, dann
Wer etwas anderes will, sollte über eine staatliche Kontrolle der wankenden Unternehmen nachdenken. Nicht etwa, weil Staatsbetriebe als besonders erfolgreich bekannt sind. Sondern weil Entscheidungen über den Umbau einer öffentlichen Industrie dann immerhin der politischen Auseinandersetzung unterworfen werden könnten. Das gilt selbst dann, wenn am Ende „nur“ ein VEB Opel steht: Unter entsprechenden Druck könnten Politik und die von ihr kontrollierte Unternehmensleitung zu der Auffassung gelangen, dass es besser sei, in den Werken Produkte herzustellen, die zwar nicht die kurzfristige Rendite bringen - aber langfristig der Gesellschaft nützlich sind.
Dabei muss es nicht bleiben. Es wäre wiederum eine Frage der öffentlichen Kontroverse und der Gelegenheit, den nächsten Schritt zu tun. Demokratische Planung, bedürfnisorientierte Produktion, öffentliche Kontrolle - damit fängt der Umbau einer Gesellschaft ja nicht an, sondern das könnte ein Ergebnis dieses Prozesses sein. Anfangen aber müsste man irgendwo - mit Verstaatlichungen, für die das Zeitfenster klein ist und sich schon bald wieder schließen könnte. In diesem Fall würde sich Bahn brechen, was die IG Metall zu Recht fürchtet - eine Konsolidierung der strukturkranken Autobranche allein über den Markt mit Werksschließungen, Massenentlastungen und allem drum und dran. Nur nicht mit der Chance auf einen sozial-ökologischen Umbau.
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