Weitermachen, aber wie? Die Linke und der Rückschlag im Südwesten

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„Ernüchternd, Desaster, sozialpolitisch ein Verlust“: Die ersten Reaktionen aus der Linkspartei kamen via Twitter (hier und hier und hier) und sie zeigen mehr an als nur die unmittelbare Enttäuschung über zwei Wahlniederlagen, die größer kaum sein konnten. In Baden-Württemberg lag die Linke nach ersten Hochrechnungen sogar noch unter dem Ergebnis der Wahlalternative vor fünf Jahren; in Rheinland-Pfalz verbesserte sich die Partei im Vergleich zu 2006 allenfalls im Zehntelpunkte-Bereich. Von den Landesergebnissen der Bundestagswahl 2009 ist die Partei meilenweit entfernt. Alle Erwartungen und jeder Optimismus, den noch vor wenigen Tagen Linken-Politiker an den Tag legten, wurden am Sonntagabend von der Wirklichkeit pulverisiert. Offenbar wollte auch niemand der Aufforderung Oskar Lafontaines zum Taktisch-Wählen nachkommen, im Gegenteil – die Linke wurde vom rot-grünen Wind nicht bloß an den Rand gedrängt, sondern gleich ganz von der Bühne gefegt.

Leipziger Volkszeitung: Ab sofort offensiver nach draußen - hier
Tagesspiegel: Der Streit um die Führung verschärft sich - hier
Welt: Linke geht geschwächt in die Programmdebatte - hier
Neues Deutschland: Ernste Fragen sind absehbar - hier
Hamburger Abendblatt: Linke ist nicht entmutigt - hier
DDP: Linke tief enttäuscht über Ergebnis in Rheinland-Pfalz - hier
DAPD: Linke geht nach Wahlschlappe auf Fehlersuche - hier
DPA: Rückschlag für die Linke im Westen - hier

Der 27. März 2011 kann in der Geschichte der neu gegründeten Linken zu einem Wendepunkt werden. Seit 2005 war die Partei wahlpolitisch auf der Erfolgsspur, selbst wenn es nicht immer zu einer Verbesserung von früheren Ergebnissen reichte. Aber dass die Linke sich landespolitisch im Westen etabliert hat, dass damit auch ihr bundespolitisches Fundament breiter wurde – dem konnte niemand leichterhand widersprechen. Zuletzt schaffte man es in Hamburg wieder in die Bürgerschaft, im Norden und im Westen gehören Fraktionen zum Landtagsalltag, in Nordrhein-Westfalen stützt die Linke eine rot-grüne Minderheitsregierung. Davon ist die Partei im Südwesten der Republik nun weiter denn je entfernt. Und nimmt man das bayerische Ergebnis von 2008 dazu, bleibt die Partei offenbar in einem ganzen Landesteil parlamentarisch außen vor.

Es wird dafür Gründe geben, die in der Sozialstruktur im Südwesten zu finden sind, auch kulturelle Voraussetzungen, von denen die Linkspartei nicht gerade begünstigt wird. Man wird viel auch mit dem bundespolitischen Grundrauschen der vergangenen Monate erklären können, das vor allem den Grünen geholfen hat (Stuttgart 21 und Fukushima), der Linken aber nicht allzu viele Ansatzpunkte gab, ihre „Markenzeichen“ in der Öffentlichkeit zu platzieren. „Atom wirkt!“, hat Thüringens Fraktionschef Bodo Ramelow ein erstes kurzes Resümee gezogen, für die Linke habe es „leider zu wenig Schwung“ gegeben. Das ist zweifellos richtig. An dieser Stelle beginnt aber auch jener Teil der Wahlauswertung, für den Antworten auf die Niederlage bei der Partei selbst zu suchen sind.

„Für die Linke sind die Folgen ihres Scheiterns an der Fünfprozenthürde noch gar nicht abzuschätzen“, schreibt das Neue Deutschland in einer ersten Bilanz, „ernste Fragen sind absehbar“. Warum kann die Partei mit ihren Themen nicht durchdringen? Liegt es wirklich nur am Schatten, den die veröffentlichte Meinung über die Linke oft mehr als über andere Parteien legt? Welchen Einfluss hatte das Agieren der Bundes-Linken auf eine stark bundespolitisch imprägnierte Wahl? Hätten prominentere Spitzenkandidaten mehr Erfolg gehabt? Und wie haben sich die jeweiligen landespolitischen Eigenheiten der Partei ausgewirkt? Einfache Schlussfolgerungen tragen nicht unbedingt weit: Während die Linke in Rheinland-Pfalz lange Zeit einen hoch zerstrittenen und also wenig attraktiven Eindruck hinterließ, kann ähnliches vom baden-württembergischen Landesverband eigentlich nicht gesagt werden – die Niederlage aber war für beide deutlich.

„Über die Ursachen wird zu diskutieren sein“, hieß es am Sonntagabend auf der Website der Linken. Nicht ganz unwahrscheinlich ist, dass nun wieder eine Debatte über das Berliner Spitzenpersonal hochkocht - im Tagesspiegel kann man bereits einen Vorgeschmack darauf bekommen. Zu fragen wird auch sein, welche Konsequenzen dieser Wahlabend auf die Strategie der Linken hat – und welche auf die bündnispolitischen Möglichkeiten in den Ländern sowie im Bund? Die Genossen in Baden-Württemberg meinen, als Partei gehe man „gestärkt aus diesen Wahlen“. Gesine Lötzsch wies am Abend darauf, dass das Unglück von Fukushima die sozialen Probleme überlagert hätte. Linken-Vize Halina Wawzyniak zeigte sich "enttäuscht vom Wahlergebnis". Bundeschef Klaus Ernst hat das schlechte Abschneiden bei den Landtagswahlen zwar bedauert, aber gesagt: „Wir werten es nicht als Katastrophe, wir werten es als Weitermachen.“ Wie, bleibt zunächst die große, offene Frage.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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