Wer kontrolliert die Kontrolleure?

Finanzkrise Im Untersuchungsausschuss zur HRE-Rettung zeigt sich die Schwäche des Staates gegenüber der Finanzbranche. Die aufgedeckten Fehler kann das Gremium selbst nicht beheben

Ausgerechnet diesen Josef Ackermann sucht sich die SPD als Kronzeugen aus. Jenen Deutsche-Bank-Chef, dessen Management der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Joachim Poß noch vor ein paar Wochen als "skandalös" bezeichnet hatte, dessen Vertragsverlängerung beim Branchenprimus als "schlimmes Signal" aufgefasst wurde und der als Beleg galt, dass die Finanzwirtschaft nichts dazu lernen würde. Ausgerechnet hinter diesem Mann versammelt sich jetzt die SPD: Ackermann habe "entlarvt, wie lächerlich sich die Opposition mit ihren Vorwürfen gegen die Bundesregierung macht".

Haben das FDP, Linkspartei und Grüne tatsächlich? Der Untersuchungsausschuss, der angesichts der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse und des laufenden Wahlkampf nicht gerade unter einem günstigen Stern gestartet ist, brachte bereits jede Menge Dinge ans Licht, die das Gegenteil bezeugen. Dabei mag zwar die Frage besonderen Reiz entfalten, ob und wann wer an jenem denkwürdigen Sonntag im September 2008 den Ausschlag gab bei der Rettung der Pleitebank HRE. Aber ob nun ein Telefonat mit Merkel die Wende brachte, ob es Steinbrück war, der zu spät in die Verhandlungen einstieg – das ist letztlich gar nicht erheblich. Was der Untersuchungsausschuss wirklich leisten könnte, ist: die systemischen Schwächen aufzudecken, die Fehler im Verhältnis zwischen Finanzbranche und Staat.

Wenn jetzt so viel über die Notwendigkeit besserer öffentlicher Aufsicht gesprochen wird, dann muss auf den Tisch, was an der bisherigen Kontrolle schief gelaufen ist und warum.

Warum etwa BaFin und Bundesbank, die für die Finanzaufsicht zuständig sind, ihr Recht auf Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen privater Institute nur ausnahmsweise einmal wahrgenommen haben – und zwar nicht etwas aus eingeschliffener Nachlässigkeit, sondern weil man sich offenbar auf eben jene Nicht-Kontrolle verständigt hatte. Ein entsprechender Beschluss, so kann man es beim Finanzexperten Gerhard Schick von den Grünen erfahren, ist selbst im Angesicht der schweren Finanzkrise nicht zurückgenommen worden. Oder warum mit der Beaufsichtigung der Kreditanstalt für Wiederaufbau, immerhin einer der größten Akteure am Kapitalmarkt, im zuständigen Finanzministerium gerade einmal zwei Leute befasst waren. Wie es sein kann, dass Prüfberichte zwar verfasst und weitergeleitet wurden – dann aber nahezu ungelesen in Aktenordnern verschwanden. Warum sich die Politik eher auf die „Beratung“ durch private Kreditinstitute und die für sie tätigen Rechtsanwaltskanzleien verließ, als eigene Expertise zu entwickeln. Und warum sich daran auch bisher nichts Grundlegendes geändert hat.

Ganz offensichtlich braucht "die Politik" selbst eine bessere, stärkere Aufsicht, eine demokratische öffentliche Kontrolle. Das Parlament, dem diese Aufgabe zufällt, stößt dabei vor allem in Zeiten großer Koalitionen schnell an Grenzen: Akten werden zurückgehalten und Entscheidungen in kleinen Runden getroffen.

Zugegeben: Das alles ist auch schon ein Thema gewesen, als es den Untersuchungsausschuss zur HRE-Rettung noch nicht gab. Und natürlich wird dieser – von allen Parteien – zum Instrument im Wahlkampf gemacht. Das führt dazu, dass strukturelle Probleme personalisiert und komplizierte Zusammenhänge vereinfacht werden.

Deshalb kann die Arbeit eines solchen Gremiums das nicht ersetzen, was schon längst nötig wäre – nämlich eine grundlegende Reform des Finanzsektors. Bundespräsident Horst Köhler – um auch einmal einen überraschenden Kronzeugen aufzubieten – hat schon vor Monaten gewusst: "Schuldzuweisungen und kurzfristige Reparaturen reichen nicht aus, wenn wir die tiefere Lehre aus der Krise ziehen wollen."

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

Avatar

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden