Wessen Strippen?

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Das Problem mit dem allerneuesten Wirbel um Oskar Lafontaine ist wohl: Obwohl die Geschichte ziemlich unglaubwürdig klingt, wird sie von vielen für möglich gehalten. Warum eigentlich?

Dass der Linksparteichef von gleich vier Detekteien beschattet worden sein soll, hat der Focus allenfalls auf streichholzdünnes Hörensagen gebaut. Wahrscheinlich kam der Tipp sogar vom Geheimdienst, das Blatt beruft sich jedenfalls auf "Hinweise" aus "Sicherheitskreisen". Einer der an der Geschichte beteiligten Redakteure ist Josef Hufelschulte, der beste Kontakte zum Bundesnachrichtendienst haben soll. Hat die Behörde vielleicht gezielt ein paar Informationen durchgestochen, auf dass die Medien die "Affäre Wagenknecht", mit der Lafontaine getroffen werden soll, am Laufen halten? Wem nützen die nun grassierenden Spekulationen über die vermeintlichen Auftraggeber - mal wird Lafontaines Frau genannt, mal Journalisten oder konkurrierende Parteien, mal Wagenknechts Ehemann?

Und immer wieder auch: „die eigenen Leute“. Das bestätigt das Bild einer zerstrittenen Linken - und ist ja auch tatsächlich Methode im parteiinternen Streit. Nein, nicht die Ausspähung, sondern das Anschwärzen. Nach der Jungen Welt, die vor einigen Tagen schon Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zum Strippenzieher gegen Lafontaine gemacht hat (hier gibt es eine Kritik dazu), zog jetzt der Stern nach. Auch der beruft sich auf einen anonymen "Insider", der behauptet haben will, Bartsch lasse "seit langem seine Kettenhunde gegen Lafontaine los". Quellen werden weder vom Linksblatt noch im Tagebücher-Magazin genannt. Die nahe liegende Frage, welche Interessen solche "Insider" selbst haben könnten, wird weder gestellt noch beantwortet. Als Bartsch unlängst ausschloss, dass die angebliche Bespitzelung Lafontaines „in irgendeiner Weise aus der Partei“ selbst komme, zog auch die Tageszeitung die Augenbraue so hoch es eben geht: „Fraglich nur, woher er das wissen will.“ Aha, zwinker, zwinker. Und im politischen Absurdistan weiß man sogar über „original Stasi-Leute“ zu berichten, die sich „im Umfeld der Parteirechten“ tummeln sollen.

Bleibt die Frage: Was ist überhaupt dran am Krimi, den der Focus stellvertretend für die angeblich „mehrere Wochen“ andauernde Bespitzelung auftischt, jene Geschichte, in der in „besseren Lokalen“ getafelt wird, in der Taxis verfolgt und „Ermittler postiert“ werden? Die Linkspartei hatte den Bericht schon am vergangenen Samstag als „ausgesprochen zweifelhaft“ bezeichnet und auf gravierende Unstimmigkeiten hingewiesen.

Jetzt hat Fraktionssprecher Hendrik Thalheim noch einmal nachgelegt: „Die zentralen Fakten stimmen nicht“, zitiert ihn am Mittwoch die Süddeutsche Zeitung. Nicht nur, dass die Bundestagsfraktion im Beisein Lafontaine an besagtem 10. Dezember 2007 in einem ganz anderen Berliner Restaurant, als der Focus behauptet, bei einer Weihnachtsfeier zusammengesessen habe. Auch habe das Europaparlament in jener Woche nicht nicht in Brüssel, sondern in Straßburg getagt - in der Magazin-Story war Sahra Wagenknecht aus der belgischen Hauptstadt eingeflogen.

siehe auch: lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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