Wieder drin: Hamburger Erleichterung bei der Linken

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Es war nicht der ganz große Jubel, mehr eine große Erleichterung: Die Linke zieht wieder in die Hamburger Bürgerschaft ein und im Berliner Karl-Liebknecht-Haus wurde am Sonntagabend die Prognose mit Beifall und Ja-Rufen begrüßt. Schon kurz vor 18 Uhr hatten erste befreiende Zahlen die Runde gemacht, kurz darauf dankte Spitzenkandidatin Dora Heyenn in der ARD für einen engagierten Wahlkampf. Mit der ersten Hochrechnung um halb acht verflüchtigte sich dann auch ein wenig die wahlsystemgetriebene Unsicherheit. Im Laufe des langen Zählabends blieb aber zunächst noch unklar, ob die Partei ihr Ergebnis von 2008 würde halten können. Am Ende standen wieder genau 6,4 Prozent. In Mitte und Altona wurden es unterm Strich zweistellige Ergebnisse.

Mit einem Wiedereinzug hatten viele nicht gerechnet. Und nicht wenige haben der Linken wohl auch ein Scheitern gewünscht, eine Zeitung nannte ihr Ergebnis am Abend sogar „demokratisch bedenklich“. Hinzu kamen die bisweilen quälenden internen Diskussionen, der mit der Kommunismus-Debatte einhergehende Gegenwind, die landespolitische Konstellation nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition: All das hatte in der Partei Befürchtungen ausgelöst. In den Medien war sogar bereits über Pläne spekuliert worden, mit der Doppelspitze unzufriedene Genossen könnten ein Scheitern in Hamburg zum Anlass nehmen, die beiden Vorsitzenden in Frage zu stellen. Und noch am Wahlabend sprach Fraktionschef Gregor Gysi davon, er sei froh, dass sein „Plan B nicht zum Zuge kommen muss“.

Als Gesine Lötzsch und Klaus Ernst kurz vor halb sieben in den Luxemburg-Saal der Berliner Parteizentrale kamen, gab es stattdessen erst einmal Beifall. Lötzsch freute sich über ein „tolles Ergebnis“ und sagte: „Wir gewinnen Wahlen und nicht Umfragen.“ Auch Bundesgeschäftsführerin Caren Lay sah, die Prognose vor Augen, „allen Grund zum Feiern“. Ernst bescheinigte der SPD ein sehr gutes Ergebnis, betonte aber zugleich, die Sozialdemokraten würden ein linkes Korrektiv in der Bürgerschaft brauchen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Dietmar Bartsch und Gysi bereits eine Handvoll Interviews gegeben. Rückenwind für das linke Wahljahr? „Ein bisschen ja, ein bisschen nein“, sagte Gysi. Aber: „Ich bin Optimist.“

Die Sorgengründe, die manche Genossen umtreiben, liegen mehr in Stuttgart und in Mainz, wo Ende März gewählt wird und ein Einzug auch nach dem Hamburger Abend keineswegs sicher ist. In Baden-Württemberg sprach man von einer „guten Vorlage“ und sieht nun weiter „gute Chancen erstmals in den Landtag einzuziehen“. Zuvor steht der Linkspartei in Sachsen-Anhalt eine ganz andere Bewährungsprobe bevor: Gelingt es, vor der SPD ins Ziel zu kommen? Und holt Spitzenkandidat Wulf Gallert noch den Rückstand auf die CDU auf? Hamburg „stärkt uns hier auch in Sachsen-Anhalt“, sagte Landesvorstand Andreas Höppner; Landeschef Matthias Höhn dankte „für den Rückenwind“. Udo Wolf, der Fraktionschef der Linken in Berlin, wo im Herbst gewählt wird, sagte, das Ergebnis habe bestätigt, dass die Linke „mit einer konstruktiven, sozialen Politik (…) sowohl in der Regierung als auch in der Opposition Erfolge erringen“ könne.

Ein Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde in Hamburg hätte der Linken wohl einen neuerlichen Konflikt um die Führungsfrage beschert. Der Wiedereinzug in der Hansestadt könnte nun an dieser Front ein wenig Beruhigung bringen. Die offenen Fragen der Partei, die unter anderem in der Programmdebatte zum Ausdruck kommen (hier ein jüngster Hinweis darauf), kann ein Landesergebnis allein aber nicht beantworten. Und: Das Jahr mit mindestens sieben Landtags- und zwei Kommunalwahlen hat gerade erst begonnen.

Ein paar Reaktionen

Nachrichtenagentur Linken-Spitzenkandidatin Dora Heyenn zeigt sich mit dem Ergebnis ihrer Partei bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft zufrieden. Die Linken gingen “erhobenen Hauptes” in die Opposition. – hier

Neue Westfälische Die Linke hat sich behauptet. Das war nach den Querelen der letzten Wochen nicht sicher. Man wird dauerhaft mit dieser politischen Kraft rechnen müssen. – hier

Saarländischer Rundfunk Der Landesvorsitzende der Linken, Rolf Linsler, hat das Abschneiden seiner Partei bei der Wahl in Hamburg positiv bewertet. Er sagte, die Linke “werde eine feste Kraft” in den Parlamenten sein. Als Grund für die Stimmgewinne der Linken nannte Linsler den “hervorragenden Wahlkampf”, an dem sich auch Oskar Lafontaine beteiligt habe. – hier

Die Welt Ein glanzvolles Ergebnis ist es aber nicht geworden. Auch im Bund werden viele Linke dennoch erleichtert aufatmen. Allen voran Gesine Lötzsch. – hier

Bild Viele wähnten die Partei zumindest in Westdeutschland schon klar auf dem absteigenden Ast. Seit Hamburg schauen die Linken nun auch hier wieder optimistischer in die Zukunft. – hier

Westdeutsche Zeitung Zwei Aspekte stimmen unter demokratischen Gesichtspunkten in Hamburg nachdenklich: Über 40 Prozent haben ihr Wahlrecht nicht ausgeübt. Und die Linkspartei bleibt noch stabil. – hier

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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