Wissen, wie man wieder rauskommt

Sozialdemokratie Bei ihrer Afghanistan-Konferenz wollte die SPD eine Debatte über den Kriegseinsatz beginnen. Steinmeier hat bereits Pflöcke eingeschlagen - die Basis hat das Nachsehen

Die Gereiztheit, die SPD-Chef Sigmar Gabriel am Freitagmorgen an den Tag legte, sie gibt Auskunft über die Schwierigkeiten, die die Sozialdemokraten mit diesem Thema haben: Afghanistan. Dieser Krieg ist ein roter Faden der Regierungsjahre gewesen. Es war Gerhard Schröder, der den USA uneingeschränkte Solidarität zusicherte. Es war Peter Struck, der den Satz prägte, die Sicherheit Deutschlands werde auch am Hindukusch verteidigt. Es war Frank-Walter Steinmeier, der als Außenminister keinen Zweifel am Einsatz der Bundeswehr zulassen wollte.

Direkt zum SPD-Hearing

Livestream der Konferenz
Das Programm und die Experten
Rede von Sigmar Gabriel zum Auftakt
Positionspapier von Gabriel und Steinmeier
Positionspapier der Jusos

Steinmeiers Zehn-Punkte-Plan vom Sommer 2009
Positionspapier von Niels Annen und Lars Klingbeil

Jetzt ist Sigmar Gabriel der Vorsitzende der SPD. Kaum jemand glaubt noch daran, dass das militärische Vorgehen irgend etwas in Afghanistan zum Besseren wenden wird, das Bombardement von Kundus hat seine Wirkung auch hierzulande hinterlassen. Die politische Aufarbeitung des tödlichen Angriffs steht im Zeichen parteipolitischer Auseinandersetzung, die SPD weiß um ihre Mitverantwortung und will trotzdem gegenüber der Union punkten. Gleichzeitig steht die Verlängerung des Bundeswehrmandats an, viele in der Partei wollen einfach nur raus aus Afghanistan, anderen in der SPD diktiert eine so verstandene Staatsräson die Argumente.

Die Partei wirkt wie eingeklemmt zwischen der pazifistischen Tradition, in der sie sich egrn sieht, der Verlockung eines großen kriegsablehnenden Wählerpotenzials und ihrer Mitverantwortung für den Bundeswehr-Einsatz. Als Sigmar Gabriel am Freitagmorgen im Deutschlandfunk auf die Abzugsideen angesprochen und gefragt wird, ob die Sozialdemokraten „jetzt kalte Füße“ bekämen, nachdem ein SPD-Kanzler die Bundeswehr in den Krieg geschickt habe, grollt der SPD-Vorsitzende und hört das ganze Interview nicht mehr damit auf. Er sei erstaunt, wie viel der Sender „über die Haltung der SPD schon weiß, bevor wir das Hearing überhaupt gemacht haben“.

Weil die Haltung schon diktiert ist. Die Konferenz, von der Gabriel spricht, war einmal als Auftakt für eine Debatte angekündigt worden, in der sich die ganze Sozialdemokratie mit dem schwierigen Thema befassen und eine Position zum Bundeswehreinsatz finden sollte. Am Freitag die Afghanistan-Tagung, am Montag soll der Parteivorstand eine Beschlussvorlage formulieren, diese dann den Gliederungen der SPD zur Diskussion gestellt werden und das Ergebnis später in eine Neufassung einfließen. Auch wenn jetzt immer gern von der Basis der SPD und dem Dialog mit ihr die Rede ist: Allzu viel Mitsprache der Mitglieder war manchen Sozialdemokraten nicht geheuer. Für die Wiederbelebung innerparteilicher Demokratie seien „Fragen von Krieg und Frieden“ für den Anfang „gänzlich ungeeignet“, hieß es.

Abgesehen davon: Noch bevor die Afghanistankonferenz überhaupt begonnen hatte, verkündete Frank-Walter Steinmeier wie ein Noch-Außenminister schon eifrig konkrete Pläne und wurde ein Treffen mit Angela Merkel bekannt, das keinen anderen Zweck erfüllt haben dürfte als eine gemeinsamen Afghanistanposition mit der Regierung zu finden. Steinmeier schlug so Pflöcke ein, an der die Debatte in der SPD kaum noch vorbei kommen wird. Ob der Fraktionsvorsitzende nur vorgeprescht ist, um sich einen Vorteil gegenüber seinem innerparteilichen Konkurrenten zu verschaffen, oder ob es sogar Unterschiede zu Gabriels Haltung gibt – die Basis kann nur noch zur Kenntnis nehmen: Beginn des Abzug erst 2011, Ende zwischen 2013 und 2015. Warum nicht früher?

Am Montag wird Helmut Schmidt erstmals seit 1982 Gast im SPD-Parteivorstand sein. Der Altkanzler gilt als Kritiker des Bundeswehr-Einsatzes. Sigmar Gabriel hat ihn unlängst zitiert: „Wer irgendwo militärisch reingeht, muss wissen, wie er wieder rauskommt.“ Die Sozialdemokraten haben sich diese Frage seinerzeit wohl nicht gestellt. Und sie tun sich immer noch schwer mit einer Antwort.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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