Womit die SPD Wahlen gewinnt

Sozialdemokratie Sigmar Gabriel hat seine Partei vor einer Reichenabgabe gewarnt – damit gewinne man keine Wahlen. Der linke Flügel will auf dem Berliner Parteitag trotzdem nachsteuern

Was für ein Verständnis vom „aufgeklärten Bürgertum“ Sigmar Gabriel hat, sei dahingestellt. Dass es ein gutes Erinnerungsvermögen hat, glaubt der SPD-Chef offenbar nicht. Mit einem Spitzensteuersatz von über 50 Prozent, warnte er vor dem Berliner Parteitag, gewinne man keine Wahlen.

Helmut Kohl hat noch mit einem Spitzensteuersatz von 53 Prozent Wahlen gewonnen. Das Beispiel des Altkanzlers zeigt außerdem, dass eine höhere Besteuerung der „Reichen“ für sich genommen noch nicht für „linke Politik“ steht. Wo Gabriel „Maß und Mitte“ fordert, will die SPD-Linke trotzdem „nachsteuern“, wie es der gerade wiedergewählte Juso-Vorsitzende Sascha Vogt formuliert hat. Dazu gehört unter anderem die Forderung nach einem Aufschlag auf den von der SPD-Spitze avisierten Spitzensteuersatz von 49 Prozent ab einem Einkommen von 100.000 Euro, der Bestverdienern ab einem Einkommen von 150.000 Euro jährlich zusätzlich drei Prozent Einkommensteuer abverlangt.

Bereits seit 2007 wird der Aufschlag erhoben, allerdings erst ab einem Einkommen von über 250.000 Euro und er erhöht den Spitzensteuersatz zurzeit auch nur auf 54 Prozent. Die SPD-Spitze argumentiert, die „Reichensteuer“ sei in der vorgeschlagenen Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent bereits „aufgegangen“. Das sieht sogar die Arbeitsgemeinschaft für Selbstständige anders und fordert, „zusätzlich eine Reichensteuer“ zu erheben.

Für die SPD-Linke soll es an der zwar symbolisch wichtigen, aber einnahmeschwachen Reichensteuer nicht unbedingt scheitert. Der Flügel könne sich auch, sagt deren bisheriger Sprecher Björn Böhning, einen Kompromiss vorstellen: die Abschaffung der Abgeltungssteuer. Die schlägt mit Mindereinnahmen von knapp 1,3 Milliarden Euro zu Buche, während die gegenwärtige „Reichensteuer“ im vergangenen Jahr nur 640 Millionen Euro brachte. Außerdem privilegiert die pauschale Abgeltungs­steuer Einkommen aus Kapital gegenüber Einkommen aus Arbeit.

Auf dem Parteitag wird Peer Steinbrück den Antrag mit den steuerpolitischen Elementen einbringen und die Abgeltungssteuer wurde unter dem früheren Finanzminister eingeführt. Ob das ein Problem für eine Einigung darstellt, bleibt abzuwarten. Es wird aus der SPD-Linken auch noch andere Vorstöße geben, die Beschlusslage zu prägen. Dazu gehört die Frage einer Mindestrente, die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung – und die Europapolitik.

Wirklich anders machen

Es reiche eben nicht aus, sagt Böhning, ein besseres Management in der Krise zu versprechen; die SPD müsse deutlicher klarstellen, was sie wirklich anders machen wolle. Das gelte für Sozial- und Bildungsstandards auf EU-Ebene genauso wie für eine demokratischere Kontrolle der EZB.

Der linke SPD-Flügel zeigt sich allerdings auch jetzt schon recht zufrieden mit dem sogenannten Erneuerungsprozess der Sozialdemokraten. Die Linken halten es sich zugute, die Partei wieder „deutlich links akzentuiert“ zu haben.

Ein wenig haben sie zurzeit allerdings auch mit sich selbst zu tun: Als unlängst die Nachfolge Böhnings als Sprecher gewählt wurde, gab es eine Überraschung: Gegen die favorisierte frühere PDS-Politikerin Angela Marquardt setzte sich die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis durch. Ein Dämpfer für Böhning und auch Generalsekretärin Andrea Nahles – und eine kleine Akzentverschiebung. Von Mattheis, die 2008 unter anderem den „Aufruf der 60“ gegen den Agenda-Kurs der SPD mitinitiiert hatte, wird mehr Opposition gegen die Parteispitze erwartet, die Strategie unter Böhning zielte eher auf Einfluss im Zentrum.

Bei einigen SPD-Linken ist sogar die Sorge laut geworden, dass die Wahl von Mattheis nicht automatisch in einen Vorteil verwandelt werden kann, wenn demnächst die Debatte über das Wahlprogramm 2013 auf die Tagesordnung rückt. Gabriel jedenfalls soll sich über ihre Wahl gefreut haben.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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