Wie viele andere selbsterklärte „Linkskonservative“ bringt der Philosoph Peter Sloterdijk regelmäßig liberalere und „linkere“ Linke in Rage. Im Gegensatz zu vielen anderen ist der professorale Provokationsvirtuose dabei oftmals für die eine oder andere intellektuelle Herausforderung gut.
In seinem kurzen neuen Buch Die Reue des Prometheus setzt Sloterdijk zur Abwechslung mal wieder die (scheinbar) kapitalismuskritische Lesebrille auf und liefert eine überraschende Abrechnung mit der „pyrotechnischen“ menschlichen Zivilisation als klimawandelnde Brandstifterin des Planeten.
Er spannt dazu einen gewohnt breiten Bogen von der prähistorischen Nutzung menschlicher Muskelkraft (als innerer Verbrennung) über die Entdeckung des F
2;ber die Entdeckung des Feuers und der Sklaverei (als Ausbeutung „humanoider Biomaschinen“) bis hin zur „pyrotechnischen Revolution“ des Öl- und Kohlezeitalters.Die einst darbende Menschheit, der der mythische Prometheus das Feuer brachte, hat inzwischen erkannt, dass sie ihren Energiebedarf nicht auf das aktuell auf der Erde (nach-)wachsende Brennmaterial beschränken muss: Sie wurde ein fossiles „Kollektiv von Brandstiftern, die an die unterirdischen Wälder und Moore Feuer legen“. Prometheus müsste sich heute schämen und seine gut gemeinte Feuergabe bereuen, so Sloterdijk im Anschluss an Günther Anders. Doch der Weltenbrand diene am Ende nicht etwa nur den herrschenden Klassen, wie Marx meinte. Mit Hinweis auf den Frühsozialismus Henri de Saint-Simons beschreibt Sloterdijk eine Dialektik des Fortschritts, die die „Ausbeutung des Menschen durch den Menschen“ in Richtung einer „Ausbeutung der Erde im Interesse des Menschen“ verschiebt.Das Wohlstandsfeuer eindämmenHier rutscht der Text jedoch ab und wird widersprüchlich. Hob Sloterdijk zunächst gegen Marx’ „Leitfiktion einer […] verallgemeinerten kleinbürgerlichen ‚Werktätigkeit’“ die Bedeutung des „Lumpenproletariats“ als „Pandämonien […] unbezahlter Tätigkeiten“ hervor, bedient er sogleich das snobistische Ressentiment gegen ein kleptostaatlich alimentiertes Müßiggängertum, das den edlen „Steuerleistungsträgern“ zur Last fällt. Dabei übersieht Sloterdijk, dass die angeblich überbordende Wohlstandsausbreitung, die er zu einem massenhaften Luxuskonsum verklärt, weiterhin vor allem den Kapitalträgern zugutekommt, die mit jedem Konsumzuwachs auch ihre Profite steigern und so die soziale Ungleichheit massiv vergrößert haben.Vor diesem Hintergrund sind dann auch Sloterdijks Vorschläge zur Eindämmung des Wohlstandsfeuers aufzufassen: „Askesebereitschaft“, „Beschränkung“ und „Verzicht“, ein „energetischer Pazifismus“ mit „mikrobischen Farmbetrieben“ oder „neuartigen Rekuperationsmechanismen“ kinetischer Energie beim Marathonlaufen und Treppensteigen, schließlich die erträumte „Helvetisierung des Planeten“ zu einem Konglomerat globaler Schweizen sowie der Ruf nach einer weltweiten „freiwilligen Feuer-Wehr“.Das klingt bestenfalls nach sympathischen Schreibtischfantasien, eher aber nach elitistischen Eingaben aus dem pyro-professoralen Elfenbeinturm. Dagegen hilft dann auch kaum die Geißelung der „Extraktionsverbrechen“ einer „brandstifterischen Elite“ globaler Öl- und Kohlekonzerne oder die Forderung nach einem „Weltbodenschatzerbe“ und die Aufnahme von Bruno Latours Idee einer „ökologischen Klasse“.Sloterdijk oszilliert wie eh und je zwischen gelehrter Geschwätzigkeit und ingeniöser Ausdrucksakrobatik, zwischen gesellschaftskritischen Brandbomben und reaktionären Nebelkerzen – mit jeweiligem Überhang des zweiteren. Kurz: eine intellektuelle Biedermann-Brandstiftung mit Bedarf an geistiger Feuerwehr.