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Die Linke Rot-rote Dämmerung: Wenn die SPD im Saarland ihre Partnersuche von Inhalten abhängig machen will, käme anderes als eine Kooperation mit der Linkspartei nicht in Frage

18,5 Prozent holte die Linkspartei im Saarland bei den Bundestagswahlen vor drei Jahren. Das hat Erwartungen geweckt - und Befürchtungen ausgelöst. Am Samstag wird die Partei Oskar Lafontaine als Anwärter auf das Ministerpräsidentenamt ins Rennen schicken. Ein Hindernis für eine rot-rote Koalition an der Saar ist das nicht.

In Neunkirchen sieht die Welt noch so aus, wie sie sich ein Kurt Beck wünschen könnte: Im Stadtrat hat die SPD eine stramme Mehrheit, Konkurrenz von links gibt es nicht und so steht seit über 40 Jahren ein Sozialdemokrat der zweitgrößten Stadt des Saarlandes vor.

Daran wird sich auch so bald nichts ändern. Die Journalisten, die an diesem Wochenende an die Blies reisen, werden sich jedoch kaum für eine SPD-Erfolgsgeschichte interessieren. Im Zentrum der Aufmerksamkeit wird ein ehemaliger Sozialdemokrat stehen.

Die Linke kürt am Samstag Oskar Lafontaine zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Herbst 2009. Als ehemaliger SPD-Vorsitzender und Finanzminister hat er die neue Linke nach seinen Vorstellungen zur bundesweiten Kraft geformt. Als einstiger Oberbürgermeister in Saarbrücken und Ex-Ministerpräsident will er nun im Saarland zeigen, dass diese Partei auch im Westen satisfaktionsfähig ist.

Dass im Bürgerhaus an der Kolpingstraße ein Wahlprogramm verabschiedet wird, dürfte in den Medien nicht weiter ins Gewicht fallen. Besser erzählt sich die Geschichte vom abtrünnigen Ex-Genossen, der Ministerpräsident war und das wieder werden will, und dabei doch nur im Sinn hat, seinen damaligen Zögling Heiko Maas und die ganze SPD zu demütigen.

Wie eine Kultfigur

Wäre es tatsächlich so, dann reagieren die alten Parteifreunde von Lafontaine ziemlich gefasst. Zwar müht sich SPD-Spitzenkandidat Maas inzwischen um etwas mehr Format und nutzt dafür auch die verbale Schärfe gegenüber Lafontaine. Aber sonst? "Der Oskar hat hier überall seine Spuren hinterlassen", wird Ottmar Schreiner zitiert, und was der erklärte SPD-Linke da sagt, klingt eher wie Respekt. DGB-Bezirkschef Eugen Roth meint sogar, der Spitzenkandidat der Linkspartei werde an der Saar "wie eine Kultfigur" verehrt. Da hört man den Wunsch des SPD-Landesvize heraus, es möge jemanden von gleicher Statur auch für die eigene Partei an den Start gehen. Heiko Maas wird bei seinem erneuten Versuch, den CDU-Ministerpräsidenten Peter Müller zu stürzen, kein roter Teppich ausgelegt. "Natürlich", sagt er, als handele es sich um ein ehernes Gesetz, natürlich "wird es nicht einfach gegen Lafontaine".

Dafür sorgt nicht nur der Ex-Parteifreund, der viel mehr als andere ein Sozialdemokrat geblieben ist, sondern auch die Linkspartei, die ohne Lafontaine nicht wäre, was sie ist. Allein der Kreisverband Neunkirchen hat inzwischen 400 Mitglieder, soviel wie die PDS im ganzen Saarland nie zählte. Heute trumpft die Linke damit auf, dass gleich ganze Belegschaften bei ihr eintreten - wie unlängst die 220 Busfahrer der kommunalen Saarbahn. Von den Neu-Genossen hatten 35 vorher ein SPD-Parteibuch im Schrank.

Als Grund nannte Betriebsratschef Winfried Jung "die arbeitnehmerfeindliche Politik" der anderen Parteien und vor allem "Angst vor der geplanten Teilprivatisierung der Saarbrücker Stadtwerke". Konkrete Pläne, die Bussparte zu verkaufen, gibt es zwar nicht. Und man könnte den medienwirksamen Coup auch ganz allein auf die Freundschaft zwischen Betriebsrat Jung und dem früheren ver.di-Landeschef Rolf Linsler zurückführen, der heute Vorsitzender der Saar-Linken ist. Aber damit hat man noch nicht die 18,5 Prozent erklärt, die die Partei bei den Bundestagswahlen 2005 aus dem Stand im Saarland erreichte.

Wenn auch sicher scheint, dass die nun anstehende Landtagswahl von der CDU gewonnen wird, so ist doch für die Frage, wer ab 2009 in der Staatskanzlei am Saarbrücker Ludwigsplatz amtiert, anderes entscheidend: Wer belegt hinter Müller welchen Platz? Führt Maas die SPD als Zweitee durchs Ziel, hätte er das Recht, in einer rot-roten Konstellation den Ministerpräsidenten zu stellen. Eine Regierung unter Lafontaine dagegen wollen sich die Sozialdemokraten lieber gar nicht erst ausmalen. Und sie müssen es wohl auch nicht.

Die letzte veröffentliche Umfrage datiert aus dem März, die eigentliche Befragung fand sogar schon im Februar statt. Maas´ SPD lag da bei 25 Prozent - sechs Prozent vor der Linkspartei. Zusammen mit den Grünen wäre eine knappe Mehrheit zusammengekommen.

Die Grünen bei drei Prozent

Deren Landeschef Hubert Ulrich will ein Bündnis mit Linkspartei und SPD nicht ausschließen, findet aber auch, "dass Koalitionsfragen deutlich schwieriger geworden sind". In welche Richtung es geht, entscheidet ein Landesparteitag im kommenden Jahr. Die Option, mit Peter Müllers CDU die nächste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene zu bilden, ist noch nicht vom Tisch - auch wenn Ulrich sagt, dies sei "im Moment sehr schwierig". Und im nächsten Moment?

Glaubt man den Berichten über eine Umfrage vom Juni, die Müllers Staatskanzlei unter Verschluss hält, könnte die Partei ohnehin an der Fünfprozenthürde scheitern. Rot-Rot hätte danach eine knappe Mehrheit, wieder unter Führung der SPD.

Dem Ministerpräsidentenkandidaten Lafontaine wird es in diesem Fall wohl kaum genügen, als einfacher Minister Landespolitik im kleinsten Flächenstaat zu machen. Das ist einer der Hebel, die Heiko Maas im Kampf um die Stimmen ansetzt: Noch in der Wahlnacht werde der Linksfraktionschef "wieder nach Berlin entschwinden", warnt der SPD-Mann, alles andere sei bloßer "Theaterdonner".

An beider Absichten ändert das aber ebenso wenig wie an der Gelegenheit. Wird die SPD stärker als die Linke, gibt es "kein Wackeln", sagt Lafontaine, dann werde eben Maas Ministerpräsident. Auch personell gebe es keine Probleme. "Drei oder vier Minister" könne die Linkspartei "aus dem Handgelenk heraus" vorschlagen - Linsler wird genannt, auch die beiden Bundestagsabgeordneten Hans-Kurt Hill und Volker Schneider. Für die Koalitionsfrage sei entscheidend, sagt Heiko Maas, "ob man mit den handelnden Personen in den anderen Parteien vertrauensvoll zusammenarbeiten kann". Das gilt wahrscheinlich für jeden, außer eben für Lafontaine, dem viele Sozialdemokraten die "Flucht aus der Verantwortung" noch nicht verziehen haben.

Das saarländische "Wir"

Wenn die SPD ihre Entscheidung wirklich "von den Inhalten abhängig" machen will, wie Maas meint, käme anderes als eine Zusammenarbeit mit der Linken indes gar nicht in Frage. Eine Fortsetzung der Regierungspolitik Lafontaines mit anderem Personal könnte beide Seiten zufrieden stellen: die Sozialdemokraten sind zurück an der Macht und die Linkspartei im Westen in einer Landesregierung.

Und so lobt der alte Ministerpräsident gern "die Politik, die wir gemacht haben" und verspricht "diese Arbeit wollen wir fortsetzen". Zum Beispiel der Ausbau der Forschungslandschaft, den Lafontaine für "ein Glanzlicht" seiner Jahre in Saarbrücken hält. Maas sagt, er wolle das Saarland "zu einem Silicon Valley der Energietechnik machen". Lafontaine fordert "eine Korrektur von G8 und ein gebührenfreies Studium". Maas spricht davon, "mit dem Murks beim achtjährigen Gymnasium und den unsozialen Studiengebühren" Schluss zu machen. Lafontaine sagt, es gebe "viele Überschneidungen" mit den Sozialdemokraten. "Kann sein", antwortet Maas.

Vor dem Argument, der Antritt der Linken im Saarland schwäche die SPD, wodurch eine Abwahl Müllers unwahrscheinlicher werde, brauchen sich SPD und Linkspartei nicht beeindrucken lassen. Im Saarland kommen beide Parteien in den Umfragen heute zusammengerechnet auf Werte, die die SPD - auf sich allein gestellt - zuletzt 1999 erreichte. Damals verlor Lafontaines Nachfolger Reinhard Klimmt knapp die Landtagswahl, vier Jahre später lag die SPD bei nur noch 30 Prozent. Heute würde es zusammen mit der Linkspartei für eine Mehrheit reichen.

1999 war auch das Jahr, in dem Lafontaine als SPD-Chef und Finanzminister zurücktrat. Damals begann der Abstieg der SPD zur Agenda-Partei und die Vorgeschichte der neuen Linken. Es gibt Situationen, diesen Hinweis zur Erklärung verdanken wir Georg Fülberth, in denen "die Sozialdemokratie sich nicht in einer einzigen Partei organisiert, sondern in zweien".

"Im Moment", so formuliert es Ottmar Schreiner, "wird halt getrennt marschiert."

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