In neuer Besetzung

Tarifstreit Gewerkschaften und Bahn-Konzern stehen erneut vor einer harten Tarifrunde

Von "normalen" Tarifauseinandersetzungen kann bei der Bahn nach dem monatelangen Tauziehen der letzten Runde nicht die Rede sein. Im Angesicht drohender Rezession folgt nun eine Wiederaufführung in neuer Besetzung.

Besonders ist zum einen, dass es in diesem Fall der Staat selbst ist, dem das Unternehmen gehört. Wie der DB-Konzern auftritt, zeigt also auch, was von dem Gerede über die Notwendigkeit gesteigerter Binnennachfrage zu halten ist. An der Krücke schlechter Bilanzen muss die Bahn bisher nicht gehen. 2008 war nach eigenen Worten ein Rekordjahr. Dass nun von "wirtschaftlichen Zwängen" die Rede ist, gehört eher zur Folklore von Tarifkonflikten, als es der realen wirtschaftlichen Lage entspricht. Die Gewerkschaften wollen keineswegs weiteren "Lohnverzicht zugunsten von Gewinnrekorden" hinnehmen.

Ganz einfach ist die Lage allerdings auch im Arbeitnehmerlager nicht, wo Gewerkschaften in Konkurrenz zueinander stehen. Auf der einen Seite die Organisation der Lokführer, auf der anderen die Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften Transnet und GDBA. Wo 2007 und 2008 die kleine GDL mit einer hohen Forderung für die Spezialisten in den Führerständen an den Start gegangen war, läuft das Rennen heuer unter umgekehrten Vorzeichen ab. Transnet und GDBA versuchen nun ihrerseits, mit einer höheren Tarifforderung den organisationspolitischen Vorsprung der GDL wieder wettzumachen. Während die anderen DGB-Gewerkschaften den jahrelangen Mitgliederrückgang zumindest aufhalten konnten, musste Transnet 2008 erneut einen Verlust von fast fünf Prozent hinnehmen. Das lag nicht nur an der Enttäuschung darüber, von der GDL tarifpolitisch überflügelt worden zu sein. Für einen Exodus sorgte auch eine Personalie, die in der aktuellen Tarifrunde zum Sprengsatz werden könnte: der Seitenwechsel des langjährigen Transnet-Chefs Norbert Hansen auf den Posten des Personalvorstandes der Bahn.

Viele Kollegen waren frustriert: Hansen, so die Meinung vieler, hatte sich sein umstrittenes Engagement für den inzwischen auf Eis gelegten Börsengang versilbern lassen. Nun sitzt Hansen auf der anderen Seite des Verhandlungstisches - und seinem alten Weggefährten, dem jetzigen Transnet-Vorsitzenden Alexander Kirchner gegenüber.

Glaubt man Hansen, war sein Wechsel in die Chefetage eine Art sozialdemokratisches Manöver: Der DB-Aufsichtsrat und frühere rot-grüne Wirtschaftsminister Werner Müller sowie der seinerzeit amtierende SPD-Chef Kurt Beck hätten ihn schließlich gefragt. Als Personalvorstand, so verkaufte Hansen seine Rolle gegenüber den Mitarbeitern, habe er die Chance, "die Interessen der Arbeitnehmer noch stärker einzubringen".

Was damit gemeint sein könnte? In seine erste Tarifrunde als Vorstand ist Hansen für den Konzern mit einem Angebot gegangen, das den Namen kaum verdient und im Prinzip auf einen Inflationsausgleich hinausläuft. Transnet und GDBA wollen zehn Prozent für rund 130.000 Beschäftigte, die GDL verlangt 6,5 Prozent für rund 20.000 Mitarbeiter des Zugpersonals.

Während Hansen in seiner neuen Rolle versucht sein wird, beim ersten Tarifkonflikt auf der "anderen" Seite nicht allzu nachgiebig aufzutreten, um den Erwartungen Mehdorns zu entsprechen; muss sich Kirchner gegen den "Verräter" Hansen hartnäckig zeigen und zugleich die GDL auf Distanz halten. Deren Vorsitzender hat seit der vergangenen Tarifrunde ebenfalls gewechselt, so dass auch auf dieser Seite ein gewisser Erwartungsdruck lastet. Dass Hansen für die Bahn verhandelt, hat der neue GDL-Chef Claus Weselsky "eine gezielte Provokation" genannt - man hat dem Mann, der immer noch das Transnet-Mitgliedsbuch besitzt, nicht vergessen, dass es auch die konkurrierende Gewerkschaft war, die einen eigenständigen Lokführer-Tarifvertrag verhindern wollte.

Hansen hatte noch Ende vergangener Woche das Ziel ausgegeben, "friedlich zu einem Ergebnis zu kommen". Dafür müsste der Konzern sein Angebot deutlich verbessern. Vor anderthalb Jahren drohte der damalige Transnet-Chef mit Streik, wenn die Bahn nicht etwas drauflege. Hansen weiß ja sicher noch, wie das dann weiterläuft.

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