Kann man sich eine Koalition zwischen CDU und Linkspartei auf Landesebene vorstellen? Sollte man vielleicht sogar? Die Frage scheint erledigt, nachdem ein, zwei zumindest Offenheit andeutende Antworten aus der Union dort sogleich auf ein donnerndes „Nein“ stießen. Freilich gilt auch, dass das Einholen eines politischen Testballons nur etwas über jene aussagt, die die Strippe halten oder auf ihn schießen – nicht aber über die Stärke der Winde in den Höhen der Wirklichkeit. Dort bleibt es auch dann stürmisch, wenn man es unten nicht will.
Klar, das Thema birgt viel Konfliktstoff. Wer sich allerdings die Umfragewerte vor den Landtagswahlen im kommenden Jahr anschaut, wird das Thema nicht einfach zur Sommerlochfarce erklären. Mehrheitsbildungen in den „klassischen Konstellationen“ des Ostens wie „Union plus FDP oder plus kleine SPD“ oder „Rot-Rot(-Grün)“ sind unwahrscheinlicher geworden. Das hat etwas mit dem Aufstieg der AfD zu tun, und hier liegt der Kern: Wie verhalten sich CDU und Linkspartei für den Fall, dass nur eine Koalition zwischen beiden eine Regierungsbeteiligung der Rechtsradikalen verhindern kann?
Natürlich kommen solche Debatten für Parteien immer „zur Unzeit“. Aber wenn sie spätestens im Wahlkampf wieder eröffnet wird, wird sie nicht gemütlicher. Dass man von fast allen Seiten nun demonstrative Ablehnung hört, mag parteipolitisch verständlich sein, ändert aber nichts an der Frage. Man kann sie für falsch gestellt halten, etwa mit dem Hinweis, einer Linkspartei, die diesen Weg ginge, drohe das gleiche Schicksal wie der SPD, die in Koalitionen mit der CDU auch immerzu verliert. Man kann sagen, der Groll gegenüber den „Etablierten“ vergrößere sich noch – und damit auch der künftige Wahlerfolg der AfD.
Man kann aber auch den zweiten Schritt vor dem ersten machen und zunächst die möglichen Formen eingrenzen, die eine solche Regierung wenn überhaupt annehmen dürfe – nur als Minderheitskabinett etwa, das zu stützen die Linken nutzen könnten, konkrete Ziele durchzusetzen.
Und noch etwas: Parteien setzen gern und durchaus berechtigt darauf, landespolitische Erfolge mit „eigenen Themen“ zu erzielen. Koalitionsdebatten seien deshalb nicht hilfreich, weil die Leute viel eher an der Sachpolitik im Land interessiert seien. Richtig ist freilich auch, dass die Wähler durchaus ein Gefühl dafür haben, wann „eigene Themen“ Durchsetzungschancen haben. Denn was nützt die Forderung nach Verbesserung der sozialen Infrastruktur, wenn zugleich klar ist, dass dafür keine Mehrheiten in Aussicht stehen?
Womit wir bei einem weiteren Punkt wären: Ist es denn überhaupt vorstellbar, dass CDU und Linkspartei über die Verbesserung der sozialen Infrastruktur Einigung erzielen könnten? Liegen sie in Sachen Ausstattung mit Lehrern, Zahl der Polizisten oder der im Osten mit dem Problem Braunkohleausstieg verbundenen Umweltpolitik wirklich so weit auseinander?
Man kann das unter Verweis auf bisherige Erfahrungen verneinen. Auch und gerade im Osten tritt die CDU nicht gerade als Ebenbild ihres katholisch-sozialen Flügels auf. Nach einem Karl-Josef Laumann sucht man zwischen Elbe und Oder lange. Aber auch dort wäre gründlich zu unterscheiden: Was mit Michael Kretschmer in Sachsen nicht geht, könnte mit Ingo Senftleben in Brandenburg möglich sein. Wer genau hinsieht, hat längst gemerkt, dass die Rede von „der CDU“ deren immer stärkeren Binnendifferenzierungen übersieht.
Es war übrigens Wulf Gallert, der Ende 2007 als sachsen-anhaltischer Fraktionschef der Linkspartei sagte, ein Bündnis mit der CDU im Osten sei „in acht bis zehn Jahren“ vielleicht möglich. Darauf reagierte CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer damals eher offen, was zu einem bundespolitischen Echo ähnlicher Tonart führte.
Lothar Bisky sah in der Koalitionsoption damals „eine Vorstellung, die nicht außerhalb der Welt liegt, wenn man in Rechnung stellt, dass CDU und SPD ja ohnehin immer ähnlicher werden“. Das wird in der Linkspartei auch heute gern behauptet, warum dann nicht die Konsequenzen ziehen?
Von einem Aufstieg der AfD war damals noch keine Rede. Und doch lag eine Frage schon mit auf dem Tisch: Es könne, sagte Bisky damals, „Notsituationen geben“, in denen „es ums Land geht“ und wo man „auch mal mit einer Partei etwas zusammen macht, mit der man sonst wenig zu tun hat“.
Auf heute bezogen, wäre viel zu klären: Wäre damit gesagt, dass es ein die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie betreffendes, verbindendes Element zwischen CDU und Linkspartei gibt – und wie wirkt das auf andere „Gewissheiten“ in der Linken? Und was wären die inhaltlichen Projekte, die über eine bloße demokratische Notgemeinschaft hinausgehen? Ist die Verhinderung einer Koalition der CDU mit der AfD auf Landesebene ein auch mittelfristig wirkender Beitrag dazu, eine demokratische Brandmauer gegen rechtsradikale Regierungsbeteiligungen hochzuziehen?
Der Ausgangspunkt war die Notsituation, in der man etwas mit jemandem zusammen machen müsse, mit dem „man sonst wenig zu tun hat“, um etwas anderes zu verhindern. Mag sein, dass diese These eine ausführliche Diskussion nicht überlebt. Nur müsste es diese Debatte dann erst einmal geben. Unzeit ist immer.
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