Was macht eigentlich Christel Wegner? Um die DKP-Frau, die auf dem Ticket der Linkspartei in den niedersächsischen Landtag einzog und später mit einem Auftritt im Fernsehmagazin Panorama für Rummel sorgte, ist es stiller geworden. In den bisherigen Plenarsitzungen im Leineschloss hat die Einzelabgeordnete nicht das Wort ergriffen. Das tun inzwischen andere umso öfter.
Kaum war seinerzeit die DDR-Katze aus dem DKP-Sack und Christel Wegner aus der niedersächsischen Fraktion ausgeschlossen, meldeten sich die Strömungen der Linkspartei. "Der Kotau einiger prominenter Genossinnen und Genossen unserer Partei vor der neuen antikommunistischen Welle" habe die linken Kräfte geschwächt, zürnten die Reste des Geraer Dialogs, eine Gruppe, die bessere Zeiten erlebt hat, als die Partei noch PDS hieß. Ähnliches gilt für die Kommunistische Plattform, die nun bereits einen "Unvereinbarkeitsbeschluss" für Mitglieder der DKP kommen sah und sich besorgt fragte, was dann generell mit Kommunisten in der Linken geschehen werde.
Vermutlich nichts, denn um die Frage, ob DKP-Mitglieder weiter auf Linkspartei-Listen antreten dürfen sollen, geht es nur am Rande. Solche Bündnisse muss sich die Linke auch nicht selbst verbieten - das tun andere erfolgreicher. Auf Bundesebene und in einigen Ländern ist das bereits per Gesetz ausgeschlossen. Und auch Christel Wegner hätte genauso gut von CDU, FDP, SPD und Grünen aus der Linksfraktion gekegelt werden können: Die Geschäftsordnung des Landtags besagt, dass sich zu einer Fraktion nur Abgeordnete "zusammenschließen können, die der gleichen Partei angehören".
Im Vordergrund steht längst etwas anderes. Der Fall Wegner ist der Kampfplatz, auf den die Linke ihren Programmstreit verlagert hat. "Die Angelegenheit ist keinesfalls vom Tisch", setzte man im Umfeld des Forums Demokratischer Sozialismus nach, den Realos in der Linken. Äußerungen zu Frau Wegner hätten gezeigt, dass es "einen programmatischen Diskussions- und Klärungsbedarf gibt", der sich "nicht vornehmlich um unser Verhältnis zur DKP" drehe - sondern "um unsere eigene Geschichte und die zentrale Verbindung von Sozialismus und Demokratie".
Das Papier wurde unter anderem von Klaus Lederer und Stefan Liebich unterzeichnet, von dem Landesvorsitzenden beziehungsweise dem Vize-Fraktionschef der Linken in Berlin also. Regierungsbeteiligungen sind in der Partei aus guten Gründen umstritten, um jene in der Hauptstadt aber ist ein Glaubenskampf entbrannt. Beim Gewerkschafter-Flügel der Partei, der Sozialistischen Linken, gingen denn auch sofort die rot-roten Alarmleuchten an. Mit dem Papier würde das Forum "die Wegner-Auseinandersetzungen für einen inhaltlichen Vorstoß" nutzen, um "die Koordinaten der Partei nach rechts zu verschieben". Äußerungen der DKP-Frau würden instrumentalisiert, um "lange zurückgehaltene Kritik am stark an sozialen Themen orientierten Kurs der Bundespartei massiv voranbringen zu können". Zuvor hatte es bereits Stimmen gegen eine Linke als "Ersatz-SPD mit Rezepten aus den siebziger Jahren" gegeben, auch Oskar Lafontaines Führungsstil wurde bemängelt, was von einigen auch als Angriff auf bestimmte politische Inhalte gewertet wurde.
Die fusionierte Partei bewegt sich zwischen Fundamentalopposition und sozialdemokratischer Regierungspolitik, eine Spanne, die in der Programmdiskussion zu umkämpften Frontverläufen führen muss. Mit dem Fall Wegner wird nun versucht, emotional wirksame Bezüge - Stasi! Antikommunismus! - in Raumgewinn bei einer Reihe offener Fragen umzumünzen. Etwa zum Verhältnis von sozialen und Freiheitsrechten; darüber, ob die Partei ihre Politik vorrangig aus den Sorgen und Interessen der Mehrheit ableitet, insbesondere der abhängig Beschäftigten und der sozial Benachteiligten, oder aber vorrangig aus Wertorientierungen und politischen Zielvorstellungen; und auch darüber, ob man zu alledem auch die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse aufheben muss oder nicht.
Die Streitpunkte haben gewissermaßen amtlichen Charakter, in einem Annex der vorläufigen Programmatischen Eckpunkte wird darauf verwiesen, dass hier noch "Antworten gefunden werden müssen". Das will keine der parteiinternen Strömungen gern den anderen überlassen, weshalb selbstverständlich auch die Antikapitalistische Linke den Fall Wegner zum Anlass nahm, einige Programmwünsche loszuwerden. "Das Letzte", was die Linke brauche, seien "devote Abgrenzungsrituale", beschwerte man sich in einer Erklärung über jene in der Linkspartei, die eine schnelle und abschließende Klärung der seit langem schwelenden DKP-Debatte anstreben - um gleich darauf zu fordern, dass die Linke "antikapitalistisch bleiben" müsse. "Entscheidend waren und sind dabei die Eigentumsfrage und die Kriegsfrage" - Themen, die schon immer zu innerparteilichen Diskussionen bei PDS und Linkspartei geführt haben.
An Christel Wegner wird die Auseinandersetzung wohl vorbeigehen, egal wie oft ihr Beispiel jetzt noch herangezogen wird. Der Streit um die eigene Geschichte mag in der PDS ausgiebig geführt worden sein. Der "antistalinistische Konsens", der nun von einigen beschworen wird, war aber vor allem einer des Apparates, weniger der Basis. Mit dem Fall Wegner sei die Frage, was aus der linken Geschichte, aus DDR, Staatssicherheit und Demokratiedefizit für die Politik von morgen zu lernen sei, "endgültig und ein für allemal auch im Westen angekommen", heißt es beim Forum Demokratischer Sozialismus. Man werde auf dem Parteitag im Mai "mit einem Antrag die Debatte einfordern".
Als wäre das noch nötig.
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