Reform oder Konkurs

Gewerkschaften Im DGB streitet man über die Zukunft

Von Lohnsteigerungen wie in mancher Wirtschaftsbranche können die Angestellten des DGB nur träumen. Eine Einmalzahlung wird es in diesem Jahr geben, dann zwei Prozent und später noch einmal ein Prozent. "Ein ordentliches Plus", wie von Gewerkschaften sonst gefordert, kann sich der Verband nicht leisten. Seit Jahren schwinden die Mitgliederzahlen, die Einnahmen sinken.

Die Krise hat viele Gründe. Mit ihrer Lohnzurückhaltung haben sich die Gewerkschaften ins eigene Fleisch geschnitten. Wer wenig verdient, spart sich den Mitgliedsbeitrag, das Image der Gewerkschaften stürzte ab, die Propaganda der "Neoliberalen" tat das Ihre. Christliche Organisationen machen mit Billigtarifverträgen Konkurrenz, Spartenvereinigungen wie die der Lokführer vertraten die Interessen einzelner Berufe besser.

"Wir fahren schnurstracks in den Konkurs", warnt nun Berthold Huber, dessen IG Metall einer der Hauptfinanzierer des DGB ist. Es helfe nicht mehr, "auf irgendwelche Selbstheilungskräfte zu hoffen". Die Probleme des DGB sind seit langem bekannt. Anfang 2005 wurde das "Projekt Trendwende" gestartet, beim DGB-Kongress 2006 stand es in Berlin erneut auf der Agenda. In diesem Jahr soll ein Gesamtkonzept vorgelegt werden.

Der IG Metall geht das zu langsam. "Nach zwölf Jahren Debatte wollen wir, dass das Thema angepackt wird", drängt Huber. Der Dachverband kontert, man selbst habe die Debatte angestoßen - dass es bisher stocke, sei Schuld der Einzelgewerkschaften: "Die sind sich nicht einig", heißt es. Das ist nicht nur eine Frage der Strukturreform. Immer wieder sind Gewerkschaften aneinander geraten - wegen der Agenda 2010, dem Mindestlohn, dem Verhältnis zur Linkspartei. Schon länger gibt es Sticheleien gegen das "Verbindungsbüro" und den Vorsitzenden Michael Sommer. Hat der DGB "überhaupt ein Geschäftsmodell?", fragt Huber nun.

Die Frage ist, was will der Dachverband sein? Kommunikationszentrum gewerkschaftlicher Gegenmacht oder Lobbyzentrale? Soll der DGB politisches Sprachrohr aller Branchen sein oder spricht jede Gewerkschaft mit eigener Stimme - notfalls auch gegeneinander? Oder wird der DGB zu einer Servicestelle, die ihre Mitglieder vor allem als Kunden von Reiseangeboten und dergleichen begreift?

"Für die IG Metall entscheidet sich die Zukunft im Betrieb, nicht auf der Straße", hatte Huber bei seiner Wahl zum Vorsitzenden Ende 2007 erklärt. Das war als Signal zur politischen Zurückhaltung verstanden worden: Weniger demonstrieren, mehr organisieren. Schlechte Zeiten für jene, die eine Stärkung des politischen Mandats der Gewerkschaften erhofft hatten - aber offenbar gute Zeiten für die Buchhalter. Bereits ein paar Wochen nach Hubers Amtsantritt vermeldete die IG Metall, es gebe bei den Mitgliederzahlen den geringsten Rückgang und so viele Neuaufnahmen wie schon seit Jahren nicht mehr.

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