Verflixte Dreiecksbeziehung

Gewerkschaftspartei? Ein Brief von der IG Metall, Lafontaines Linke und die Schwäche der Sozialdemokraten

Berthold Huber hat an die Vorsitzenden der Linken geschrieben, der Brief fand zielsicher seinen Weg in die Medien und hat die gewünschten Schlagzeilen produziert: IG Metall auf Distanz zur Linkspartei.

Aber wer ist da eigentlich gemeint, wenn von der IG Metall die Rede ist - die Vorstände, die Hauptamtlichen in den Verwaltungsstellen, die Mitglieder? Was meint Huber, wenn er diktiert, er verwahre sich "gegen jede offene oder klammheimliche Vereinnahmung durch die Partei"? Dürfen Abgeordnete der Linkspartei fortan nicht einmal mehr hinter vorgehaltener Hand gewerkschaftliche Positionen befürworten? Und wie steht es mit der SPD, wo es doch laut Huber "in Deutschland keine Gewerkschaftspartei" geben soll?

1988 schrieb der damalige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel über das Verhältnis zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften, "die wichtigsten ihrer Ziele erreichen sie gemeinsam oder gar nicht. Sie sind aufeinander angewiesen." Ein Ziel, zwei Organisationen also - wobei die "Größe der Aufgabe" beiden Abteilungen deutlich machen sollte, "was wir uns an wechselseitigen Konflikten leisten können und was nicht". Streit hatte es immer mal wieder gegeben. Vogel konnte aber noch sicher sein, "dass sich das Verhältnis zwischen der SPD und den Gewerkschaften von dem Verhältnis zu anderen Parteien selbst noch dann wahrnehmbar unterscheidet, wenn sie Kontroversen austragen".

Zehn Jahre nach Vogels Text, ab 1998, mussten die Gewerkschaften erfahren, dass eine sozialdemokratische Regierung noch lange keinen Frühling macht. Im Gegenteil: Die Konflikte wurden schärfer, in der SPD wie bei den Gewerkschaften drängten die Unzufriedenen zu einer neuen parlamentarischen Repräsentation. Die PDS hatte diese Rolle nie ausfüllen können, war zu sehr Regionalpartei und Beschützerin ostdeutscher Biografien - bis 2005. Die Geschichte seither ist bekannt. Mit der Linken wohnte plötzlich noch jemand im sozialdemokratischen Haus. Und wenn heute vom Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Partei die Rede ist, spricht man nicht mehr über eine gestörte Ehe, sondern über eine verflixte Dreiecksbeziehung.

Die privilegierte Partnerschaft zwischen SPD und Gewerkschaften ist deshalb nicht aus der Welt. Der "Einheitsgewerkschaftsgedanke", den Huber, DGB-Chef Sommer und andere gebetsmühlenartig aufrufen, sollte nicht als parteipolitisches Neutralitätsgebot gedeutet werden. Wie viele Gewerkschaftsvorstände sind nicht Mitglied der SPD? Was ist mit dem SPD-Gewerkschaftsrat? Eben.

Die Agenda 2010 hat den Gewerkschaften jedoch gezeigt, dass das sozialdemokratische Eheversprechen im Konfliktfall ohne Wert ist. Die Linkspartei kam da gerade recht. Als seinerzeit die Wahlalternative entstand, getragen vor allem von organisierten Kollegen aus Betrieben und Verwaltungen, hat Hubers Vorgänger Jürgen Peters eine Chance gesehen, Druck auf die Sozialdemokraten auszuüben. Nicht, dass es eine offizielle Förderung gegeben hätte, aber doch zumindest wohlwollende Zurückhaltung. Zum Teil war diese Strategie, die andere Gewerkschaften ebenso verfolgen, erfolgreich. Je stärker die Linkspartei wurde, desto eher nahm ein Teil der SPD-Führung wieder Forderungen in den Mund, die auch der IG Metall gefielen.

Mit linker Propaganda ist es aber nicht getan, Reformismus ist erst "erfolgreich", wenn Gesetze durchs Parlament gebracht werden können, und das heißt bis auf weiteres: Mehrheiten unter Führung der SPD zustande kommen. Und hier liegt das Problem - die Schwäche der Beck-Partei. 1998 hatten sie allein mehr Stimmen, als heute in Umfragen für SPD und Linkspartei in der Addition zusammenkommen. Einige gewerkschaftlich organisierte Wähler, die sich in ihrer Kritik an der SPD von den Gewerkschaften bestätigt fühlen, wechseln zur Linkspartei - doch bei weitem nicht alle. Hubers Brief ist eine Reaktion darauf, aber keine Antwort.

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