Wechsel

Pro und Anti Linke nicht nur über Kandidaten uneins

Die Europawahlen im Juni, sagt Lothar Bisky, eröffneten die "Chance für einen Politikwechsel". In der Linkspartei versteht man darunter offenbar auch die weitgehende Auswechselung der Straßburger Abgeordneten: Außer der früheren PDS-Vorsitzenden Gabriele Zimmer wird die nächste Linkspartei-Delegation voraussichtlich nur neue Gesichter kennen. So will es eine Vorschlagsliste des Bundesausschusses, über die Ende Februar, Anfang März allerdings noch auf einem Europaparteitag in Essen abgestimmt werden muss.

Dass Parteichef Bisky auf dem Spitzenplatz nach Straßburg gehen würde, galt als sicher. Die Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht zieht es in die Bundespolitik, ihr Fraktionskollege Helmuth Markov hatte sich nicht mehr beworben. Dennoch sorgt das Personaltableau für Diskussionen.

Schon der Wunschzettel des Vorstandes stieß auf Kritik. Die Parteilinke grollte unter anderem über die Nichtberücksichtigung des Europaabgeordneten Tobias Pflüger, der der Antikapitalistischen Strömung zugerechnet wird. Pflüger hatte zunächst nicht wieder kandidieren wollen, diese Entscheidung aber nach Drängen aus der Friedensbewegung revidiert. Diese hofft nun ebenso wie Teile der Partei, dass die Mehrheitsverhältnisse auf dem Europaparteitag Pflüger doch noch auf die Liste hieven: der sei "eine Antikriegsstimme", auf die die Partei nicht verzichten dürfe.

Die Art der Unterstützung für Pflüger wiederum erboste die Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann. Es gehe "nun wirklich zu weit", befand die derzeitige Vizepräsidentin des EU-Parlaments, wenn "allen Ernstes Einzelne zur einzig klaren Antikriegsstimme" erhoben würden. Eine "friedenspolitische Spaltung aus den eigenen Reihen" dürfe nicht zugelassen werden.

Kaufmann hatte sich ebenso wie der Afghanistan-Berichterstatter des Europaparlaments, André Brie, erneut um eine Kandidatur beworben - beide tauchen auf der Vorschlagsliste des Bundesausschusses jedoch nicht auf. Kaufmann dürfte ihre zustimmende Haltung zum EU-Verfassungsprozess in die Quere gekommen sein. Außenpolitiker Brie erklärt sich die Nichtberücksichtigung mit seiner "pro-europäische Haltung, die von einflussreichen Teilen der Partei abgelehnt wird".

Pro oder Anti Europa - auf diese Logik wird in der Regel auch die Debatte über das EU-Wahlprogramm gebracht. Der Entwurf passierte den Vorstand erst nach einer Überarbeitung, weil die erste Vorlage von einer Mehrheit als zu europafreundlich angesehen wurde. Es folgten Diskussionspapiere und Änderungsanträge. Während die eine Seite davor warnt, "an anti-europäische Ressentiments in der Bevölkerung anzuknüpfen", hält die andere jegliches Bekenntnis zur EU für einen Teil der "Folklore des Neoliberalismus". Fachpolitiker aus den Ländern monierten, dem Programmentwurf fehle eine Analyse der bisherigen Arbeit der als zerstritten geltenden EU-Fraktion. Auch finden einige Kritiker im Programmentwurf keine Antwort auf eine zentrale Frage, warum nämlich die Bürger "ihre Stimme der Linken geben sollen".

Europa ist für viele Menschen immer noch weiter weg als die Entfernung von ihrem Heimatort nach Brüssel oder Straßburg misst. Die Distanz könnte weiter wachsen, wenn das Bundesverfassungsgericht den Klagen gegen den Lissabon-Vertrag stattgibt - womöglich noch vor der Europawahl. Verhandelt wird in Karlsruhe unter anderem eine Klage der Linksfraktion.

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