Keine Lobby für den Sport im Knast

Sportplatz Kolumne

Rund 6.000 junge Menschen zwischen 14 und 23 Jahren sitzen derzeit in Deutschland in 27 Jugendstrafanstalten ihre Strafe ab. Sie leben in Zellen, die nicht größer als 9,5 Quadratmeter sind. Den Alltag der Inhaftierten hinter Gittern prägen Langeweile, Antriebslosigkeit und Frust. Wer einsitzen muss, verspürt schnell Bewegungsdrang. Der Wirkungsnachweis von Sport in Haftanstalten ist unbestritten und unterscheidet sich wenig von den positiven Eigenschaften, die dem Sporttreiben "draußen" zugeschrieben werden. Dennoch nimmt der Sport in den neuen Gesetzgebungen der Länder zum Jugendstrafrecht wenig - und vor allem einen unbestimmten Platz ein.

Dass der Sport im Knast einen höheren Stellenwert benötige, begründet der Marburger Kriminologe Dieter Rössner: "Im Sportspiel wird Kraft sozial verträglich eingesetzt", so Rössner. "Es bietet ein bewährtes Regelsystem für gemeinschaftsbezogene körperliche Aktivität." Sport ist ein echtes Gruppenerlebnis. Die Aspekte von Fairness und Gewaltreglementierung sind gerade für die Gefangenen von großem, oft nachhaltigem Wert. "Durch Sportaktivitäten können negative Auswirkungen der Gefangenschaft wie Bewegungsarmut, wenige soziale Kontakte und hohes Stresspotential zwar nicht aufgehoben, aber zumindest etwas ausgeglichen werden", weiß der Göttinger Erziehungswissenschaftler Jürgen Schröder. Sport wirkt als Ventil und trägt wesentlich zur sozialen Sicherheit im Knast bei.

Im vergangenen Jahr wurden die Länder vom Bundesverfassungsgericht - und durch die Föderalismusreform - aufgefordert, bis Ende 2007 neue gesetzliche Regelungen für den Jugendstrafvollzug zu verabschieden. Davon hatte man sich auch in Sachen Sport einiges erhofft. Denn das bis heute und seit seiner Auflegung im Jahr 1978 geltende Jugendgerichtsgesetz (JGG) erkannte zwar den Sport, vormals "Leibesübungen", als "eigenständiges Erziehungsmittel" im Jugendstrafvollzug an. Doch ein verpflichtendes Sportangebot samt der angemessenen personellen, baulichen und sachlichen Ausstattung der Haftanstalten sah das geltende Gesetz nicht vor. Daran wird sich nun leider nicht viel ändern. Die anfängliche Euphorie, dem Sport hinter Gittern einen größeren Stellenwert einräumen zu können, ist mittlerweile verflogen. Es bleibt, wie es war. Von "Sportverbindlichkeiten" ist in den bisher einsehbaren Entwürfen nichts zu erkennen. Zumindest auf zwei Stunden in der Woche sollte das Sporttreiben nach dem Willen des organisierten Deutschen Sports gesetzlich festgeschrieben werden. Doch selbst aus dieser Minimalforderung wurde nichts. Bislang kommt keine Bewegung in deutsche Jugendknäste. Im Gegenteil: Weil es in den überbelegten Jugendstrafanstalten meist an Personal fehlt, gehört es noch immer zur Alltagspraxis, dass die Gefangenen stundenlang auf ihrer Zelle "weggeschlossen" werden. Und wenn es ein Sportangebot gibt, beschränkt es sich auf die drei "Knast-Klassiker" Fußball, Krafttraining, Tischtennis.


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