Olympisches Flackern Peking

Sportplatz Kolumne

Noch ein Jahr bis zu den Olympischen Spielen in Peking, die vom 8. bis zum 24. August 2008 in der Volkrepublik China ausgetragen werden. Daten wie diese sind dankbare Anlässe, über ein Land zu berichten. Reportagen über China als aufstrebende Sportnation kursieren oder über das Dauerthema Doping. Beliebt ist immer auch ein Schuss Exotik - dass die Chinesen, weil jetzt westliche Codes gelten - nicht mehr spucken sollen, zum Beispiel. Leise klingt auch ein politischer Ton in der Pekingberichterstattung an. Es geht um die Menschenrechtssituation im selbsternannten "Reich der Mitte". Das ist neu. Dabei waren Nachrichten über politische Verhältnisse im Land der Olympischen Spiele früher einmal en vogue. Zum letzten Mal gab es sie anlässlich der Olympiade 1988 in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. In Südkorea, so sagt es die olympische Legende, trugen die Spiele tatsächlich zur Verbesserung der Menschenrechtssituation und zur Demokratisierung des autoritären Systems bei. Warum soll das also nicht auch im kommenden Jahr für China gelten? Bemüht wird seitens des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) der Demokratisierungsmythos der Olympischen Spiele immer dann, wenn das sportliche Weltereignis in Ländern ausgerichtet wird, die zwar der Sportindustrie eine kräftige Rendite versprechen, es aber mit der Demokratie nicht ganz so genau nehmen. Also auch in China 2008. Die Chancen, durch die Olympischen Spiele die Menschenrechtspolitik in China zumindest kurzfristig beeinflussen zu können, stehen gar nicht mal schlecht. Immerhin hat China bei der Vergabe der Spiele durch das IOC im Jahre 2001 die so genannte Olympische Charta unterschrieben. Damit hat sich das gastgebende Land verpflichtet, die dort festgelegten Kernprinzipien anzuerkennen, wie die Achtung der Menschenwürde und der Menschenrechte sowie Respekt gegenüber fundamentalen ethischen Prinzipien. Leider hat jedoch das IOC bis heute China noch nicht aufgefordert, diese Grundsätze wirklich einzuhalten.

China hat die Olympischen Spiele in den Rang eines nationalen, emotional sehr aufgeladenen Projektes gehoben. Diese Spiele müssen ein Erfolg werden. China wird das Sportweltereignis als Bühne nutzen, um sich der internationalen Weltöffentlichkeit als modernes, offenes Land zu präsentieren, in das sich zu investieren lohnt. Eine Menschenrechtsdebatte stellt für die Olympia-Organisatoren dabei ein potentielles Risiko dar. Unangemeldete Demonstrationen religiöser oder ethnischer Minderheiten wie der Falun Gong Sekte oder Aktivisten aus Tibet anlässlich der Spiele sollen unbedingt verhindert werden. Amnesty International hat in dieser Woche in seinem Chinabericht China: The olympics countdown - one year fulfil human rights promises darauf hingewiesen, dass führende Aktivisten jener Gruppen schon jetzt oft ohne Anklage inhaftiert oder unter Hausarrest gestellt werden. Auch Sprecher, die auf die steigende Zahl von Modernisierungsverlierern hinweisen oder auf Zwangsumsiedlungen ohne Entschädigung wegen olympischer Bauprojekte, erwarten derartige Sanktionen. Amnesty International erwartet eine deutliche Steigerung ausgesprochener und vollzogener Todesurteile gerade im unmittelbaren Vorfeld der Spiele. Gespeist aus der flachen Logik, Todesurteile hätten abschreckende Wirkung und die Kriminalität während der Spiele werde so merklich zurückgehen. Immerhin gibt es eine gute Nachricht - zumindest für ausländische Journalisten. Die Freiheit der Medien wird garantiert. So dürfen Interviews ab sofort ohne vorherige behördliche Genehmigung geführt werden. Nationale, kritische Journalisten und Internetdissidenten jedoch müssen weiter Repressionen erdulden. Überhaupt gelten alle "Lockerungen" im Sog der Spiele zunächst nur bis zum Ende des Jahres 2008. Was danach kommt, weiß niemand.


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