Ringen um MultiKulti

Sportplatz Kolumne

Die Liste der Absender ist ebenso lang wie politisch schwergewichtig. Der türkische Ministerpräsident Recep Erdogan hat geschrieben, der Außenminister Abdullah Gül und der türkische Botschafter in Berlin, Ali Irtemcelik. Und noch immer landen in Ibrahim Dedeoglus Briefkasten im Berliner Stadtteil Wedding jede Menge Glückwunschtelegramme. Die meisten aus der Türkei. Woher die Briefe auch kommen, letztlich haben alle denselben Wortlaut: "Wir sind stolz auf euch, den einzigen türkischen Verein, der es in Deutschland in die erste Bundesliga geschafft hat", schrieb für alle Türken stellvertretend der Ministerpräsident Erdogan. Da endlich hatte auch der 39 jährige Ibrahim Dedeoglu vollends registriert, was dem Türkischen Ringer Verein Berlin (TRV) und seinem Präsidenten eigentlich gelungen ist - eine kleine sportliche Sensation. Der TRV kämpft ab der heute beginnenden Saison in der ersten Ringerbundesliga. Als tatsächlich der erste türkische Sportverein, der in der langen Geschichte des deutschen Sports in einer ersten Liga angekommen ist. Ende Januar hatte der 1981 gegründete Berliner Ringerklub den entscheidenden Relegationskampf gegen KG Rostock/Warnemünde souverän mit 21:15 gewonnen, vor über 1200 Zuschauern in Berlin. Danach war nichts mehr wie zuvor.

Dennoch dauerte es zwei Monate, bis der Aufstieg des Berliner Klubs in die stärkste Ringerliga der Welt auch die deutsche Öffentlichkeit erreichte. Zuvor begleiteten ausschließlich türkische Zeitungen in Berlin wie in der Türkei Woche für Woche euphorisch den unaufhaltsamen Aufstieg des Vereins. Die auflagenstärkste türkische Zeitung Hürriyet schaltete eine Art Bundesligacountdown, und zum Aufstieg widmete sie den Ringern aus dem Wedding gleich eine ganze Seite. "Ringen ist bei uns ein Volkssport und ungemein beliebt. Die TRV-Ringer, das sind nun echte Helden und überall bekannt, in Berlin, in der Türkei und auf der ganzen Welt, wo Türken wohnen", beschreibt der Sportkorrespondent des Berlin-Ablegers von Hürriyet, Sefa Dogany, den kräftigen Imageschub für den Berliner Bundesligisten. Schließlich entdeckte die Berliner Politikspitze den Türkischen Ringerverein. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit lud im Februar die Sportler und den gesamten türkischen Vereinsvorstand zum Empfang ins Rathaus und lobte vor allem die buchstäbliche Integrationskraft des kleinen Multi-Kulti-Vereins, der nur etwa knapp 100 Mitglieder zählt. Denn wie fast alle Ringervereine der ersten und zweiten Bundesliga, so ist auch das Team des türkischen Aufsteigers aus der Hauptstadt eine multiethnische Sportgemeinschaft. In dem zwanzig Ringer umfassenden Bundesliga-Kader des TRVs ringen fünf türkischstämmige Sportler mit deutschem Pass, einige Georgier und Bulgaren, ein Schwede und eine Menge Türken. Den Kern des Migrantenteams bilden die türkischen Starringer Bülent Dagdemir, ein Militärweltmeister, Mesut Okcu, ein Junioren-Europameister und Ramazan Aydin. Aydin ist auch deutscher Meister im griechisch-römischen Stil (bis 74 Kilo), weil er längst einen deutschen Pass besitzt. Er startet mit seinem Bruder Cemal, der ebenfalls für den TRV auf die Matte geht, auch bei den Deutschen Einzel-Meisterschaften.

Auch drei "echte" deutsche Ringer sind für das Bundesliga-Team des Türkischen Ringer Vereins gemeldet. Das ist nicht ganz unwichtig. Ab dieser Saison hat der Deutsche Ringer Bund (DRB) seine Vereine verpflichtet, mit mindestens drei deutschen Athleten anzutreten. "Wir möchten damit dem eigenen Nachwuchs bessere Chance geben. Zum anderen wollen wir damit die teuren Transfers von Ausländern in die Bundesliga einschränken", erklärt der Geschäftsführer des Deutschen Ringer Bundes, Karl-Martin-Dittmann die Intention dieser Satzungsänderung. Der Konkurs der traditionellen Ringervereine SC Goldbach, KSV Aalen und jüngst des VFK Schifferstadt waren dem Dachverband Anlass, seine langjährige sehr freizügige sportliche Ausländerpolitik gründlich zu überdenken.

Der Deutsche Ringer Bund begrüßt den Bundesligaaufstieg des türkischen Klubs TRV und betont dabei: "Für uns ist das ein Verein wie jeder andere auch, nur dass er von Türken gegründet wurde".


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