Die Löhne sind niedrig, die Arbeitslosigkeit hoch. Ein großer Teil des Volkes ist desillusioniert. Dabei sollte doch Geschichte geschrieben werden, als Barack Obama sich um die Nominierung für die US-Präsidentschaftswahl 2008 bewarb. Der junge Senator aus Illinois versprühte einen neuen Geist – er war ein schwarzer Kandidat, der sein Land verändern wollte.
Vier Jahre hat der Hoffnungsträger die großen Probleme seines Landes nicht lösen können. Es sind weniger die außenpolitischen Themen, die bei Obamas Anhängern für Enttäuschung sorgen, eher innenpolitische Brandherde: die hohe Arbeitslosigkeit, das marode Schulsystem, die niedrigen Einkommen. Eine 2010 vom Harvard Institute of Politics durchgeführte Umfrage unter 18- bis 29-Jährigen ergab, dass rund 60 Prozent angesichts ausstehender Rechnungen und Schulden in ernsthaften Nöten sind.
Wegen dieser Sorgen braucht Obama für seine Wiederwahl im November dieses Jahres auch die Unterstützung einer Gruppe, die bei jungen Wählern Gehör findet, ihre Sprache spricht und ihre Träume teilt. Obama braucht den HipHop.
„Wirklich nichts als Worte“
2008 hatte er die Rapszene fast geschlossen auf seiner Seite. Nicht die Strategen in den Wahlkampfzentralen hatten sie als idealen Stimmenfänger auserkoren, im Gegenteil: Spin Doktoren schreckten seit jeher davor zurück, die häufig auf Gewalt und Sexismus reduzierte Rap-Kultur für ihre Zwecke einzubinden. Die Bewegung war der persönlichen Auffassung von Musikern entsprungen, denen Obama schon lange vor seiner Kandidatur aufgefallen war. Es folgten die „Vote-or-Die“-Kampagne und der aus Obamas gleichnamigem Schlachtruf und Versatzstücken seiner Reden vom Black-Eyed-Peas-Frontmann Will.i.am produzierte Song „Yes, we can“.
Eine Wiederholung dieser Bewegung, die Repolitisierung der Rapper, ist 2012 nicht selbstverständlich. Auch einst flammende Obama-Anhänger sind von der Realpolitik ernüchtert. Einige prominente Unterstützer aus der Rapszene haben sich in den vergangenen Jahren enttäuscht geäußert über Obamas Politik. Der Wu-Tang Clan nahm den Track „Never Feel This Pain“ auf, in dem es enttäuscht heißt: „My vision is blurred, ’cause I ain’t seein’ nothin’ I heard really nothin’ but words.“
Und HipHop-Mogul Jay-Z, 2008 an vorderster Obama-Front, sprach im vergangenen Jahr anlässlich einer Albumvorstellung über die Arbeitslosenquote: „Zahlen lügen nicht, die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch, es ist beschissen.“ Nichtsdestotrotz unterstrich er wenig später, er halte Obama weiterhin für den besten Mann für diesen Job, man müsse ihm Zeit geben. Auf dieses Argument kann sich Obama stützen: den Zeit-Faktor. Wie soll eine Amtszeit ausreichen, um alles in den Griff zu bekommen?
Jay-Z kann sich Kritik leisten, nicht nur weil seine Songs auf Obamas iPod laufen. Der Rapper, dessen Vermögen laut Forbes Magazine auf eine halbe Milliarde Dollar geschätzt wird, fordert eine höhere Besteuerung reicher Bürger. „Ich hätte kein Problem damit, mehr Steuern zu zahlen, wenn das Geld sinnvoll eingesetzt wird“, sagte er vergangenes Jahr, „wenn es in die Bildung investiert wird und an Menschen in Armut geht“. Jay-Z zählt 2012 zu Obamas offiziellem Kreis prominenter Kampaigner, ebenso wie Will.i.am und Soulsänger John Legend, der 2008 mit den Roots ein Album mit Neufassungen alter Protestsongs aufgenommen hatte.
Obama braucht ihre Hilfe, er ist in der Bringschuld. Er ist mehr als ein ehemaliger Kandidat, der seine Versprechen nicht halten konnte. Er hat den Aufbruch verkörpert, der aufgeladen wurde mit Sehnsüchten.
Und so, schrieb Curtis Gans, Leiter des Center for the Study of the American Electorate an der American University, ist die Enttäuschung der jungen Wähler enorm: „Weil Präsident Obama nicht die Hoffnungen erfüllt, die in den Kandidaten Obama investiert worden sind.“
Die Kampagne zur Wiederwahl ist längst im Gange. Im Fokus der Demokraten stehen wieder die 18- bis 29-Jährigen. Im vergangenen Oktober startete Greater Together, eine Initiative, mit der Erstwähler gebunden werden sollen. Nach Angaben des Washingtoner Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center machten vor vier Jahren zwei Drittel der Wähler unter 30 Jahren ihr Kreuz für Obama. Schon damals nutzten Obamas Wahlkämpfer soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter.
Nicht gleich Utopia
Valeisha Butterfield-Jones, die zuvor für das HipHop Summit Action Network gearbeitet hat, ist für die Initiative verantwortlich. Das Netzwerk soll die Jugend durch Bildung stärken. Obamas Team weiß um die Relevanz sozialer Themen im HipHop. Mit der Gesundheitsreform und dem damit verbundenen Versicherungsschutz für die sozial Schwachen hat Obama die Erwartungen zumindest auf einem wichtigen Teilgebiet auch erfüllt.
Der Rapper Talib Kweli, Obama-Unterstützer, aber Gegner des Zweiparteiensystems, sagte Ende vergangenen Jahres, Obama mache angesichts der Widerstände, denen er ausgesetzt sei, „einen besseren Job als ich gedacht hätte“. Können solche realistischen Ansichten Obama zu einem neuen Erfolg verhelfen? Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass Obama in sein Büro gehen und sogleich Utopia erschaffen würde, so Kweli.
Für viele junge Menschen scheint Obama trotz unerfüllter Hoffnungen dennoch der coolere Kandidat zu sein. Andererseits ist das Konservative bei jungen religiösen US-Amerikanern tief verwurzelt. Obama muss sich nicht sorgen, dass seine bisherigen Anhänger zu den Republikanern abwandern. Er muss jedoch fürchten, dass sie in die Wahlapathie früherer Jahre verfallen, aus der sie die Rap-Bewegung von 2008 teils befreit hatte. Diese muss nun zeigen, ob es ihr erneut gelingt, enttäuschte Wähler zu mobilisieren.
Torsten Landsberg schreibt über Rap im politischen Kontext. In einer losen Reihe verfolgt er bis zu den Wahlen im November das Verhältnis von US-HipHop-Szene und Politik
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