Das Stück Unity endet komplett anders, als es sein Titel verheißt: Babylonisches Sprachgewirr im abschließenden Refrain, ein halbes Dutzend Idiome schwirren durcheinander, druckvoll, dynamisch. Auf der Bühne des Auditoriums im Haus der Kulturen der Welt in Berlin stehen am Freitagabend 16 Künstler und präsentieren ihre Arbeit der vergangenen Monate. Ein Rap-Konzert vor 500 Besuchern, in einem bestuhlten Saal, wo sonst internationale Wissenschaftskongresse und Literaturplena stattfinden.
Das an diesem Samstag endende, dreitägige Festival Translating HipHop war der Abschluss eines fast einjährigen Projekts vom HKW und dem Goethe-Institut, das in einem Blog und Videos dokumentiert wurde. Seit Februar sind die Künstler aus Berlin, Hamburg, Manila, Beirut, Bogotá und Nairobi in den jeweiligen Städten mehrfach zusammengekommen, um gemeinsam Texte zu übersetzen, weiter zu entwickeln und Sprachbarrieren zu überwinden.
"Es ist etwas so besonderes, als Botschafterin meines Landes unterwegs zu sein", sagt Malikah, 25-jährige Rapperin aus Beirut. In Kenias Hauptstadt Nairobi hätten die Leute ihr gesagt: "Wir wussten nicht, wie Du aussiehst und ob Du verschleiert kommst." Sie habe daraufhin gelacht und geantwortet: "Nein, ich bin genau wie Ihr!" Zur Völkerverständigung und der Vermittlung der HipHop-Kultur veranstaltete das Festival Performances und Workshops, auch Filme wie Pic up the Mic standen auf dem Programm, ein Werk über homosexuelle RapperInnen und ihre Probleme mit der Akzeptanz in der oft noch immer homophoben Popkultur.
"Es ist inspirierend und überraschend, mit Menschen zu arbeiten, die zwar aus ganz anderen Kulturkreisen stammen, aber trotzdem die gleiche Sprache sprechen", sagt Monsignor, Rapper der philippinischen Gruppe Tondo Tribe. Es habe kein vorgeschriebenes Konzept gegeben – nur den Austausch der lokalen Eigenheiten. Die Ausprägung lokaler Szenen ist ein Phänomen der HipHop-Kultur. Während HipHop mit seinen Grundformen Rap, Breakdance, Graffiti und Djing längst global verbreitet und in Gestalt einer künstlichen Glitzerwelt profitabel ist, waren die Popkultur und ihre Protagonisten in ihren Anfangsjahren davon weit entfernt.
Was heute als Musikstil vor allem als Unterhaltung wahrgenommen wird, war in den Großstädten der USA Ende der 70er Jahre ein Ventil der Jugend. Die Ghettoisierung, die gesellschaftliche und soziale Trennung führte zu Perspektiv- und Identitätslosigkeit, die Straßenkriminaliät zur Folge hatte. Die Stile des HipHop brachten den Jugendlichen nicht nur einen alternativen Zeitvertreib, sondern Anerkennung und einen Status der Gemeinschaft. In Straßenzügen, Vierteln und schließlich Städten bildeten sich darauf regional eigene Dialekte und Codes – die Entstehung der lokalen Szenen.
Diese Barrieren sollte Translating HipHop aufbrechen. Professionelle Dolmetscher übersetzten die Texte der Teilnehmer in die anderen Sprachen. "Damit hast Du aber noch keinen Plan von den Hintergründen der anderen Rapper", sagt Pyranja, Rapperin und Radiomoderatorin aus Berlin. Geniale Wortspiele in der einen sind in einfacher Übersetzung unverständlich in der anderen Sprache. "Wenn ich eins zu eins übernehme, was Diana Avella aus Kolumbien rappt, denkt man hier, ich hab einen an der Klatsche", sagt Pyranja. Die Auseinandersetzung mit dem Leben der Künstler und die Besuche der anderen Länder hätten ihr die Augen geöffnet: "Wir haben andere Probleme, aber auch so viele Gemeinsamkeiten. Wenn man sich die Politik anguckt, wie Völker, Menschen und Länder aufgehetzt werden."
Das Projekt ist ein Gegenentwurf zum Klischee von HipHop als oberflächlicher und nichtssagender Gelddruckmaschine. Es geht um Inhalte: Um die zu verstehen, tauschen die RapperInnen beim Konzert im HKW die Gesangs- gegen die Übersetzerkabine. Während die einen auf der Bühne rappen, übersetzen die anderen die Texte parallel in andere Sprachen, die Besucher können auf ihren Kopfhörern zwischen verschiedenen Kanälen wählen. Es ist spannend, wie unterschiedlich die Idiome bei der Verhandlung des gleichen Inhalts sind: Tondo Tribe verwenden bei der Übersetzung in der Kabine rund dreimal so viele Wörter wie der Hamburger Rapper Max Maxamom auf der Bühne.
Deshalb soll der Austausch mit dem Ende von Translating HipHop an diesem Samstag nicht vorbei sein. Pyranja arbeitet mit ihren Kolleginnen Nazizi (Kenia), Diana Avella (Kolumbien) und Malikah (Libanon) an dem Projekt Lyrical Roses. Vor vier Wochen standen die Rapperinnen in Bogotá zum ersten Mal gemeinsam auf der Bühne – auf einem HipHop-Festival vor 40.000 Leuten. Vier Sprachen, ein enormes Glücksgefühl, sagt Pyranja: "Wenn der Beat angeht, bist Du zuhause."
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