Als käme ein Wundertäter

Iran Die Präsidentschaft von Hassan Rouhani wird mit Erwartungen befrachtet. Dabei müsste er die Politik seines Landes vor allem entkrampfen und weniger angreifbar machen
Ausgabe 25/2013
Als käme ein Wundertäter

Foto: Behrouz Mehri / AFP / Getty

Eine Überraschung ist die Wahl Hassan Rouhanis zum neuen iranischen Staatschef im ersten Anlauf allemal. Offenbar haben viele Iraner, die in Erwartung dieses Sieges ihre Devisen gegen den heimischen Rial eintauschten, um einem Kursverfall von Euro und Dollar zuvor zu kommen, mit ihrer Spekulation auf das Prinzip Hoffnung Recht behalten. Für den Augenblick jedenfalls. Auch Ali Chamenei muss geahnt haben, dass sich seine Favoriten nicht durchsetzen. Es war jedenfalls auffällig, wie von ihm beeinflusste Medien in Teheran kurz vor dem Votum betonten, der Revolutionsführer habe keinen Favoriten.

Diese Momentaufnahmen spiegeln Kräfteverhältnisse und Erwartungen, die dem neuen, zweiten Mann in der Islamischen Republik sogleich zum Etikett „Reformer“ verholfen haben. Die hohe Wahlbeteiligung, das klare Resultat und die Freudenfeste, bei denen sogar öffentlich Alkohol geflossen ist, können als Indiz dafür gelten, dass sich mit Rouhani tatsächlich Hoffnungen auf eine innen- wie außenpolitische Entspannung verbinden. Ob er die erfüllen kann?

Immerhin hat nicht nur ein als moderat geltender Kandidat, sondern gleichsam der einzige Theologe unter den Bewerbern triumphiert. Das verschafft ihm in seinem künftigen Amt mehr Autorität als der Vorgänger sie je beanspruchen konnte. Zugleich stellt es sicher, dass Rouhani kein Präsident sein wird, der das Machttableau der klerikalen Herrschaft in Gefahr bringt, wie es Mahmud Ahmadinedjad versucht hat, als er die gottgleiche Stellung des geistlichen Führers in Frage stellte.

Unbestritten ist Rouhanis Kompetenz in der Außen- und Sicherheitspolitik, hat er doch den Präsidenten Hashemi Rafsanjani und Mohammed Chatami als Sicherheitsberater gedient, war Chef des Nationalen Sicherheitsrates und bis zum Amtsantritt Ahmadinejads Atomunterhändler Irans. Als solcher verhandelte er über die Suspendierung des Programms zur Urananreicherungt. Eine Option, der von Ahmadinedjad kassiert wurde und seitdem als Forderung des Westens auf dem Verhandlungstisch liegt. Nach dieser Niederlage hat sich Rouhani ins wissenschaftliche Exil zurückgezogen. Ein Weg, den sein Vorgänger nun ebenfalls einzuschlagen gedenkt und der verrät, wie flexibel – westlichen Mustern nicht unähnlich – das politische Personal in der Islamischen Republik agieren kann.

Prestige und Patronat

Nun jedoch will Rouhani in der Atomfrage nicht nahtlos an einstige Positionen anknüpfen, gab er auf seiner ersten Pressekonferenz mehr als deutlich zu verstehen. Die von ihm einst selbst ausgehandelte Aussetzung der Urananreicherung sei keine Offerte mehr. Im Klartext: Rouhani wird auf das Nuklearprogramm nicht verzichten und auf dem Recht zum friedlichen Gebrauch der Kernenergie bestehen. Allein Ton und Stil bei der Verteidigung dieses Anspruchs dürften sich ändern. Mehr Transparenz soll es ebenfalls geben.

Hassan Rouhani hat sich einst im iranisch-irakischen Krieg (1980–1988) dadurch verdient gemacht, dass er die nach der Islamischen Revolution von 1979 demoralisierte Armee des Schahs auf die neuen Machthaber einzuschwören verstand. In diesem, seinerzeit vom Irak angezettelten Konflikt drohte nicht nur der religiösen Führung des Landes der Kollaps – es galt zugleich, einen Angriff auf die nationale Souveränität abzuwehren. Rouhani könnte daher mit seiner Vita dafür stehen, die Balance zwischen dem regionalmächtigen Prestige Teherans und der Patronatsrolle bei der gerade eskalierenden Konfrontation zwischen Schiiten und Sunniten neu zu justieren. Würde das bedeuten, für Konzessionen des Westens in der Atomfrage die Hisbollah im Libanon fallen zu lassen und einem Syrien ohne Präsident Assad zumindest nicht im Weg zu stehen? Unter Rouhani scheint das nicht völlig undenkbar. Jedenfalls kann man diesem Präsidenten seriöse sicherheitspolitische Angebote unterbreiten. Ob sich die Amerikaner dazu durchringen, ist eine andere Frage. Die größte Herausforderung für die anstehenden vier Jahre Präsidentschaft ist aber innenpolitischer Natur. Brot, Jobs und Freiheit verlangt das Volk. Ob Rouhani den Mut und ein Programm hat, darauf einzugehen, darf – angesichts seiner limitierten Macht – mit einem Fragezeichen versehen werden.

Torsten Wöhlert ist Iranwissenschaftler und Konfliktforscher

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