Hoffnungsträger von Rang

Poträt Hassan Khomeini ist ein Enkel des einstigen iranischen Revolutionsführers. Jetzt will er in die Politik einsteigen
Ausgabe 06/2016

Am 26. Februar werden in Iran nicht nur die 290 Sitze im Parlament für vier Jahre neu vergeben. Zur Wahl stehen auch die 86 Mitglieder des Expertenrates; ein Gremium, das laut Verfassung den Revolutionsführer als Obersten Rechtsgelehrten auf Lebenszeit bestimmt. Dessen ultimative Herrschaft (Welayat-e Faghih) ist das wichtigste Erbe der von Ayatollah Khomeini 1979 angeführten Islamischen Revolution und ein Grundpfeiler politischer Macht in der Islamischen Republik Iran. Politisch pikant wäre es, wenn jetzt ausgerechnet ein Enkel Khomeinis von der Kandidatur zum Expertenrat ausgeschlossen bliebe. Jedenfalls lautet so bisher das Urteil des Wächterrates – eine Art islamisches Verfassungsgericht, das über die politische und theologische Eignung von Kandidaten entscheidet, die sich für weltliche oder religiöse Ämter zur Wahl stellen.

Der Vorgang erregt auch deshalb Aufmerksamkeit, weil mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass dieser auf acht Jahre gewählte Expertenrat über die Nachfolge des amtierenden 77-jährigen, krebskranken Revolutionsführers, Ayatollah Chamenei, zu befinden hat. Und diese Entscheidung wird die Machtbalance zwischen Hardlinern und Reformern, Konservativen und Moderaten im politisch-religiösen Establishment Irans nachhaltiger bestimmen als die Zusammensetzung des nächsten Parlaments.

Hassan Khomeini ist nicht der erste von insgesamt 15 Enkeln Ayatollah Khomeinis mit politischen Ambitionen, wohl aber der mit den besten Karrierechancen. Dabei hat er sich, im Gegensatz zu einigen seiner Cousins und Cousinen, bisher kaum politisch exponiert. Gerade das aber könnte ihn zu einem Kompromisskandidaten mit untadlig-revolutionärem Stammbaum machen. Hassan, geboren 1972, stand seinem Großvater durchaus nahe und hat ihn als Kind oft im irakischen und französischen Exil besucht. Das ist insofern bemerkenswert, als Ayatollah Khomeini alles andere als ein Familienmensch war. Als sein erstgeborener Sohn Mustafa 1977 im irakischen Exil verstarb, soll der Vater emotionslos zur Tagesordnung übergegangen sein. Mustafas Sohn, Hussein Khomeini, wurde nach dem Tod des Revolutionsführers zu einem entschiedenen Gegner der Mullah-Herrschaft in Iran. Er ging in die USA, verbündete sich dort mit den Neokonservativen, zog im Windschatten des Irak-Krieges 2003 in die für Schiiten wichtige Stadt Kerbala, wurde später unter mysteriösen Umständen zurück nach Iran gelockt und fiel zuletzt 2006 dadurch auf, dass er Washington zu einer Invasion gegen den Iran aufforderte, um die Theokratie zu stürzen.

Verglichen mit diesem Cousin, aber auch mit derKhomeini-Enkelin Zahra Eshragi, die sich als Frauenrechtlerin hervorgetan hat, blieb Hassan Khomeini politisch eher blass. Das scheint sich jetzt zu ändern. Noch ist nicht entschieden, ob der Wächterrat ihn tatsächlich von einer Kandidatur ausschließt oder seine Entscheidung – wie kürzlich bei einigen hundert ursprünglich abgelehnten Parlamentskandidaten geschehen – korrigiert; darunter viele, die als Moderate oder Reformer gelten.

Auf der Vorstufe zum Ayatollah

Aber auch wenn Hassan Khomeini noch eine Chance bekommt: Der Vorgang selbst spricht Bände und unterstreicht die Intensität, mit der in Iran derzeit um Machtpositionen gerungen wird. Bezeichnend ist, dass die Ablehnung Hassan Khomeinis mit mangelnder theologischer Qualifikation begründet wird. Tatsächlich hat er eine Art Eignungstest versäumt, zu dem Bewerber für den Expertenrat aufgefordert werden. Eine solche Einladung hat ihn angeblich nie erreicht. 400 andere Kandidaten wussten jedoch sehr wohl, wo sie Anfang Januar anzutreten hatten. Der Eignungstest ist freilich keine zwingende Voraussetzung für eine Kandidatur, sofern die theologische Kompetenz unstrittig ist. Genau hier liegt ein springender Punkt, denn Hassan Khomeini bekleidet den religiösen Rang eines Hodschatoleslam, der Vorstufe zum Ayatollah. Damit ist ihm die gleiche theologische Befähigung attestiert wie etwa Staatspräsident Hassan Rohani.

Tatsächlich soll Hassan Khomeini, der seit 1993 als Kleriker forscht und lehrt, inzwischen auf einem sehr hohen Niveau arbeiten. Einige Vertreter des Reformlagers betiteln ihn daher gelegentlich schon als Ayatollah. Diesen Rang erwirbt, wer sich durch religiöse Traktate und Rechtsgutachten hervorgetan hat, nach hohen Standards unterrichtet und ausreichend Anhänger um sich geschart hat. Weil aber innerhalb des Klerus diverse Schulen miteinander konkurrieren, kann ein solcher Titel umstritten bleiben. So gibt es einflussreiche Geistliche, die sogar dem gegenwärtigen Revolutionsführer Chamenei seinen Rang als Ayatollah mangels theologischer Qualifikation absprechen. Das ist natürlich ein Politikum, aber nicht nur. Dahinter verbirgt sich auch theologischer Streit über die Frage, ob der schiitische Klerus überhaupt politische Ämter ausüben sollte. Einige konservative Geistliche verneinen das und stellen damit das von Ayatollah Khomeini etablierte Herrschaftssystem grundsätzlich in Frage.

Hassan Khomeini ist von derartigem Dissidententum weit entfernt. Er steht, im Gegenteil, fest auf dem Boden der von seinem Großvater begründeten Verfassung Irans. Es ist seine freundliche, in Maßen liberale Islaminterpretation, die ihn als politische Figur relevant machen könnte, weil das vor allem jüngere Wähler anspricht, die sich nach dem Atomabkommen nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung, sondern auch politische Reformen und mehr Freiheitsrechte versprechen. Für manche ist Hassan Khomeini so etwas wie ein Hoffnungsträger. Ob er dieser Rolle gewachsen ist, wenn er sie denn spielen darf, steht auf einem anderen Blatt.

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