Kein Exportschlager

Atomdeal Iran und der Westen wollen die Einigung, Benjamin Netanjahu ist strikt dagegen. Mit seiner Rede in den USA hat er sich verrannt
Ausgabe 10/2015
Welches Spiel wird hier gespielt?
Welches Spiel wird hier gespielt?

Bild: Menahem Kahana/AFP

Selten hat der Besuch eines israelischen Regierungschefs das politische Washington so erschüttert wie die Rede Benjamin Netanjahus vor dem Kongress. Und noch nie waren die Beziehungen zwischen den Regierungen beider Staaten so eisig wie in diesen Tagen. Netanjahu hat sich von den Republikanern zu einer außenpolitischen Wahlkampfrede in die USA einladen lassen. Es war eine einsame Entscheidung, von der Präsident Barack Obama ebenso überrascht wurde wie die Demokraten im Kongress. Netanjahus Botschaft war deutlich: kein Atomabkommen mit Iran – jedenfalls nicht entlang der Kompromissmöglichkeiten, die sich bei den Verhandlungen in den vergangenen Monaten abgezeichnet haben. Die aber klingen durchaus vielversprechend.

Es ist gut möglich, dass die Verhandlungen zwischen Iran und den ständigen UN-Sicherheitsratsmitgliedern sowie Deutschland bis Ende März zu einem Abkommen führen, das Teherans Recht auf zivile Nuklearwirtschaft respektiert und gleichzeitig die Hürde gegen einen militärischen Missbrauch so hoch legt, dass im Fall der Fälle genug Zeit bliebe, die daraus resultierende Gefahr abzuwenden. Man will Zeit kaufen, um Vertrauen aufzubauen. Beide Seiten würden davon profitieren. Präsident Rouhani braucht einen Verhandlungserfolg, damit die Wirtschaftssanktionen gelockert werden und so den gemäßigten Reformkräften eine Perspektive eröffnen. Und der Westen braucht Iran dringend als regionalen Partner im Kampf gegen den Terror der IS-Milizen. Darüber hinaus ist klar, dass für jede politische Lösung in der Nahost-Region an Teheran kein Weg mehr vorbeiführt.

Entsprechend konsequent verfolgt Obama seine Politik von Zuckerbrot und Peitsche. Scheitert ein Abkommen, werden die Sanktionen verschärft. Kommt es hingegen zu einer Einigung, ist die US-Administration bereit, bestehende Sanktionen zu lockern. Der Präsident hat die Macht dazu. Das hat Bill Clinton, sein demokratischer Amtsvorgänger, nach der Wahl des reformorientierten Präsidenten Chātami 1997 bereits vorgemacht.

Allerdings kann diese präsidiale Macht vom Kongress beschränkt werden, denn dort haben in beiden Kammern die Republikaner die Mehrheit. Oft lähmt das den politischen Betrieb in Washington. Gleichzeitig gibt es dem Präsidenten aber auch Handlungsfreiheit. Er kann seine Macht nutzen, ohne allzu viel Rücksicht auf den Kongress oder mächtige Lobbygruppen nehmen zu müssen. Das gilt insbesondere in der Außenpolitik. Die überraschende Wende Obamas in der Kuba-Politik ist ein beredtes Beispiel dafür.

Wenn das Parlament jedoch in beiden Kammern mit Zweidrittelmehrheit anderes beschließt, kann es den Präsidenten zu einem außenpolitischen Kurswechsel zwingen. Noch im Januar dieses Jahres warnte Obama den Kongress, die Sanktionen gegen den Iran zu verschärfen, weil dies jegliche Verhandlungen mit Teheran gefährden würde. Die Gefahr, dass die Republikaner in dieser Frage genügend Demokraten auf ihre Seite ziehen und so eine ausreichende Mehrheit zustande bringen, wurde im Weißen Haus als durchaus real eingeschätzt. Entsprechend hektisch funkte die Administration auf allen Kanälen ins demokratische Lager, wo der Einfluss pro-israelischer Lobbygruppen in nahöstlichen Angelegenheiten traditionell groß ist.

Ausgerechnet dieser über Jahrzehnte sehr erfolgreichen Lobby hat Netanjahu nun einen Bärendienst erwiesen – und damit möglicherweise auch sich selbst. Denn entgegen allen Klischees ist die pro-israelische Lobby in den USA ziemlich heterogen. Sie reicht von linksliberalen jüdischen Organisationen bis hin zu rechtskonservativen Evangelikalen. Ihre Stärke war bis dato, diese Heterogenität hinter sich zu lassen, wenn es darum ging, die Kerninteressen israelischer Sicherheit zu vermitteln. Das war nie frei von politischen Präferenzen, weil die jeweiligen politischen Lager in Israel sehr wohl darauf bedacht sind, ihren Positionen auch in Washington Gehör zu verschaffen. Aber es gab ein ungeschriebenes Lobby-Gesetz, das es verbot, israelische Innenpolitik zu exportieren. Und genau dagegen hat Netanjahu mit seiner Rede verstoßen: Er hat die überparteiliche Interessenvertretung Israels in den USA seiner Ideologie und Parteipolitik geopfert.

Sein Plädoyer gegen ein Atomabkommen mit Iran ist der Versuch, den Kongress gegen die Administration in Stellung zu bringen. Das allein ist für einen ausländischen Regierungschef schon unerhört. Hinzu kommt, dass sich Netanjahu in Israel bei diesem Tabubruch nicht auf einen nationalen Konsens berufen kann. Seine Position ist in Israel ebenso umstritten wie in den USA. Abgeordnete der Demokraten, die vor wenigen Wochen noch bereit gewesen wären, gegen die Obama-Administration für Iran-Sanktionen zu stimmen, sind inzwischen umgeschwenkt.

All das dürfte für Benjamin Netanjahu, der die politische Klaviatur in Washington wie kaum ein Zweiter kennt und beherrscht, wenig überraschend gewesen sein. Der Mann weiß genau, was er tut. Netanjahu hat auswärtiges Kapital für innenpolitische Gewinnerwartung verzockt und dabei erhebliche Kollateralschäden in Kauf genommen. Die Rechnung für diesen parteipolitisch motivierten Schachzug bekommt er so oder so: bei den israelischen Parlamentswahlen am 17. März.

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