Egal, ob darauf eingegangen wird oder nicht – das Angebot des iranischen Präsidenten Hassan Rohani, zwischen den syrischen Konfliktparteien zu vermitteln, ist aller Ehren wert. Es erscheint allerdings zweifelhaft, ob die Obama-Regierung darauf eingeht, bevor es im Verhältnis Iran-USA die ganz große Inventur gab. Ungeachtet dessen gehört die Offerte aus Teheran zu einer Serie von Good-Will-Aktionen, mit denen die neue Regierung für sich wirbt und davon überzeugen will, aus einer teils selbst verschuldeten Verpanzerung herauszufinden. Es gab einen Auftritt des iranschen Staatschefs vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, bei dem nicht nur vom Willen zu Verhandlungen über die Atomfrage die Rede war, sondern aucn von einem denkbaren Zeitplan.
Es gab zuvor einen Briefwechsel Obama-Rohani, den der iranische Staatschef im Interview mit dem US-Sender NBC als „positiv und konstruktiv“ deutet. Sein Land habe die Atombombe „niemals angestrebt oder begehrt“ und werde das auch künftig nicht tun.
Keine Frage, Teheran hat ein vitales Interesse, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden. Die Islamische Republik fühlt sich durch die dortige Phalanx sunnitischer Milizen beunruhigt, die von Saudi-Arabien, Katar und anderen Emiraten alimentiert werden. Ein seit Langem schwelender Machtkonflikt zwischen Teheran und den Golfmonarchien wird seit der Arabellion als religiös motivierte Konfrontation zwischen Schiiten und Sunniten ausgefochten. Obwohl nicht direkt betroffen, gehört Iran strategisch zu den Verlierern des Arabischen Frühlings.
Vorbild der Mullahs
Solange Länder wie Ägypten, Tunesien oder Libyen von säkular gefärbten Regimes regiert wurden, verstanden sich die Erben Ajatollah Khomeinis als Avantgarde des islamischen Widerstandes dagegen. Ein Anspruch, dem die sunnitisch geprägte islamistische Opposition in diesen Ländern so lange nicht offen widersprach, wie sie selbst massiver Repression unterworfen war. Mit der eigenen Machtübernahme etwa der Muslim-Brüder in Kairo änderte sich das schnell. Über Nacht war es mit Revolutionsexporten aus dem Iran vorbei.
Seit der Schah 1979 gestürzt war, wurde ein religiöses Aufbegehren gegen die autokratischen Regimes im Nahen Osten vom Vorbild der Mullahs in Teheran inspiriert, doch konnten die daraus nie wirklich so viel Kapital schlagen, dass es die konfessionelle Kräftebalance zwischen Sunniten und Schiiten verschoben hätte. Alle Allianzen Teherans waren daher nur bedingt tragfähig. Im iranisch-irakischen Krieg (1980–1988) etwa hoffte man vergeblich auf Beistand der irakischen Schiiten. Unter Beschuss fühlten sich die angesprochenen Glaubensbrüder mehr als Araber und Iraker denn als Schiiten. Iranische Realpolitiker haben daher stets versucht, die Außenpolitik ihres Landes auf überkonfessionelle, rational bestimmbare Interessen zu gründen und sind regelmäßig von religiösen Heißspornen ausgebremst worden. Die konnten sich am Ende des Tages immer wieder auf den Zuspruch des Revolutionsführers verlassen.
Unter Ajatollah Khomeini war das nicht anders als unter seinem Nachfolger Ali Khamenei. Dies erklärt auch, weshalb es ein Präsident wie Mahmud Ahmadinedjad versäumt hat, sich in Syrien Einflussoptionen ohne Baschar al-Assad zu erschließen. Stürzt mit ihm die alawitisch-schiitische Allianz, wäre das für Teheran gleichfalls eine schwere Niederlage.
Ungeahnte Spielräume
Insofern kann die iranische Führung von Glück reden, dass Syriens Opposition heillos zerstritten ist und der Westen ebenfalls in einem strategischen Dilemma steckt, wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen. So sehr man in Washington einen Sturz Assads herbeisehnen mag: Über den radikal-islamistischen Charakter eines großen Teils seiner Gegner kann sich niemand Illusionen hingeben. Kommt die Al-Qaida nahe Al-Nusra-Front zum Zug, rückt jede politische Lösung des Syrien-Konflikts in weite Ferne. Den Machteliten in Damaskus hingegen ist durchaus zuzutrauen, aus eigenem Interesse in Genf zu verhandeln – notfalls ohne Assad und seine Entourage.
Präsident Rohani hat sich für diesen Fall wohl in dem Bewusstsein als Vermittler angeboten, dass ihm die vorerst abgesagte Syrien-Intervention ungeahnte Spielräume eröffnet. Wäre es dazu gekommen, hätte er nicht anders handeln können, als sich frontal gegen die USA zu stellen und wieder dort zu stehen, wo Ahmadinedjad aufgehört hat – auf verlorenem Posten. Der Konflikt mit dem Westen hätte die nächste Eskalationsstufe erreicht.
Wenn aber, wie im Moment, mehr denn je nach einer politischen Syrien-Lösung gesucht wird, ist Teheran als Mediator gefragt, direkt am Verhandlungstisch oder hinter den Kulissen. Rohani könnte mit einem solchen Mandat sein Land aus der Isolation befreien, in die es sein Vorgänger geführt hat. Es wäre der Lackmustest auf die von ihm avisierte „kooperative Außenpolitik“. Die freilich müssten die Amerikaner wie der Westen überhaupt dann auch goutieren.
Torsten Wöhlert schrieb zuletzt über eine mögliche Waffenruhe in Syrien
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