Die Friedenspartner lassen schießen. Wie vor vier Jahren schon einmal entzündet sich der blutige Konflikt am Streit um die Heilige Stadt. Damals, im Herbst 1996, war es Benjamin Netanyahu, der gegen den Rat seiner Sicherheitsexperten einen historischen Tunnel im Ostteil Jerusalems öffnen ließ und einen Drei-Tage-Krieg provozierte, in dem auf palästinensischer Seite nicht mehr nur Steine flogen.
Diesmal heißt der Brandstifter Ariel Scharon. Gerade hatte der israelische Premier Ehud Barak angedeutet, dass die Palästinenser im Ostteil Jerusalems ihre Hauptstadt errichten könnten, da erschien der Likud-Chef mit großer Polizeieskorte auf dem Platz vor der Al-Aksa-Moschee - und sprach von Frieden. Ausgerechnet Scharon, der als israelischer Verteidigungsminister 1982 den Libanon-Feldzug zu verantworten hatte und dessen Truppen tatenlos zusahen, als christliche Milizen in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila rund 800 wehrlose Palästinenser massakrierten.
Scharons »Friedensgeste« ist in Wahrheit eine Kriegserklärung - an die Palästinenser und an den ohnehin geschwächten Premier Barak. Beide reagieren erwartungsgemäß. Die einen - frustriert ob des zähen Ringens um jeden Quadratmeter heimatlichen Bodens und zermürbt von den immer neuen Abstrichen im ungleichen Verhandlungspoker - griffen zum letzten Mittel, zur Gewalt. Und Barak zeigte genau jene kompromisslose Härte, die israelische Politiker vom Schlage Scharons ohnehin für den einzig möglichen Umgang mit den Palästinensern halten.
Jetzt rächen sich die verlorenen Jahre der Netanyahu-Ära. Dem Frieden läuft die Zeit davon. Der Gipfel in Camp David war wohl wirklich die letzte Chance für ein Abkommen. Nun droht eine längere Auszeit, in der sich die Kräfte auf beiden Seiten neu formieren werden. Und auch aufeinander stoßen? Die Wahrscheinlichkeit dafür ist hoch. Dass palästinensische und israelische Sicherheitskräfte in genau jenen Zonen, für die sie gemeinsam verantwortlich sind, bei der ersten schlechten Gelegenheit aufeinander schießen, zeigt, wie wenig Vertrauen bisher entstanden ist.
Die Konsequenz daraus heißt Trennung, und für die besetzten Gebiete haben beide Seiten diese Formel längst akzeptiert. Nur kann sie nicht funktionieren, solange das palästinensische Kernland von jüdischen Siedlungen und Verbindungsstraßen zerstückelt wird. Hier allerdings gibt es Lösungsvorschläge, über die man sich in Camp David weitgehend einig geworden ist. Jerusalem jedoch lässt sich nicht trennen, wohl aber teilen. Genau darauf zielte Baraks Vorstoß. Israels Hardliner appellieren dagegen an ein Trauma aus den Jahren 1948-1967, als die Altstadt Jerusalems von Jordanien besetzt war und kein Jude an der Klagemauer beten konnte. Erst wenn dieses Trauma schwindet, wird eine israelische Regierung sich in der Jerusalemfrage bewegen können. Barak immerhin schien die Probe aufs Exempel wagen zu wollen. Der Versuch ist gescheitert.
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